Lavendelöl

Oleum Lavandulae, Essence de Lavande, Oil of Lavender

Als Lavendelöl bezeichnet man das durch Wasserdampfdestillation aus Lavendel gewonnene ätherische Öl.

Der im Mittelmeergebiet sehr verbreitete echte Lavendel, Lavandula angustifolia Mill. (Lavandula vera DC., L. officinalis Chaix) bedeckt in den Seealpen Südfrankreichs, besonders in Höhen von über 700 bis 800 m, große Strecken des Landes und ist dort als lavande véritable oder als lavande femelle1) bekannt. Wie L. Lamothé in seiner Broschüre über den Lavendel2) angibt, teilt Jordan den echten Lavendel in zwei Unterabteilungen. Er unterscheidet Lavandula fragrans3) (lavande odorante, l. moyenne) und Lavandula delphinensis Jord. (petite lavande, l. fine)4), die das beste Öl liefert. Die erstere dieser beiden Arten ist sehr verbreitet. Sie findet sich in den niedrigeren Höhenlagen, während L. delphinensis ausschließlich in den höchstgelegenen Regionen vorkommt.

Lavandula Angustifolia `Hidcote Blue`Lavandula Angustifolia `Hidcote Blue`

Lavandula fragrans und L. delphinensis sind nach Humbert5) nicht als wirklich verschiedene Arten, sondern als zwei extreme Variationsformen des Lavendels anzusehen, deren Habitus und Charakter von den äußeren Bedingungen des Bodens und Klimas abhängen. Während im allgemeinen im sonnigen Süden Frankreichs und auf den trockenen Abhängen niedriger Hügel die xerophile Lavandula fragrans zu finden ist, gedeiht die mehr Feuchtigkeit liebende L. delphinensis im Norden oder in hohen Tälern und auf höheren Bergen, wo Nebel und Regen weniger selten sind, oder im Schutze der Wälder. Wenn man von den Höhen des Luberon, die auf dem trockenen, kalkreichen Boden die am meisten xerophilen Formen aufweisen, nach Norden zu abwärts geht, kann man die ganze Skala der Übergangsarten beobachten. Am Fuss der Berge, wo der Boden nicht mehr rein kalkhaltig, weicher und hygroskopisch ist (Miozän), hat die Art schließlich ihre größte Länge und die breitesten Blätter erreicht. Die Umbildung einer Form in die andere ist auch experimentell nachzuweisen, indem man die Samen eines xerophilen Typs in feuchtem Boden zur Entwicklung bringt und den andern Typus im umgekehrten Sinne, trocken und mit viel Sonnenlicht aufzieht.

Auch die von Briquet und Rouy L. Faucheana genannte Pflanze ist wie L. delphinensis Jordan und L. fragrans Jordan nur eine Variationsform des Lavendels.6)

Die Destillateure haben nach Lamothé für die verschiedenen Lavendelsorten folgende Bezeichnungen:

  1. Petite lavande. Sie liefert das beste Öl und ist widerstandsfähiger und anspruchsloser als die beiden folgenden, in niedrigeren Regionen vorkommenden Arten.
  2. Lavande moyenne. Liefert ein weniger feines, aber immer noch brauchbares Lavendelöl.
  3. Grosse lavande. Gibt ein minderwertiges Öl. Nicht zu verwechseln hiermit ist die grande lavande (Spik).

Der folgende Abschnitt beschreibt den Anbau, die Ernte und die Gewinnung des Lavendelöls in den dreißiger Jahren des 20ten Jahrhunderts.

Das Sammeln von wildem Lavendel, der in den Bergen Südfrankreichs massenhaft in zahlreichen, aber kleinen und gedrängt stehenden Stöcken vorkommt, war sehr mühsam und wurde darum und der ungenügenden Ausbeute wegen oft schon im frühen 20ten Jahrhundert aufgegeben.7) Da die mit wildem Lavendel bewachsenen Gebiete meist den in der Nähe liegenden Gemeinden gehörten, verkauften oder versteigerten diese jedes Frühjahr die Berechtigung, in bestimmten Bezirken Lavendelblüten zu sammeln. Diese Adjudication (gerichtlicher Verkauf) war stets ein Ereignis für den Lavendelölfabrikanten. Ihre Erwerbung gewährleistete ihm eine gewisse Sicherheit, dass er eine Mindestmenge Lavendelblüten rechtzeitig bekam.

Neben dem vollkommen wildwachsenden Lavendel fand man in Südfrankreich, vor allem in Drôme und Vaucluse, wo die Berge nicht so steil sind wie in den Basses Alpes, große Felder von wildem Lavendel, die durch Pflügen gelichtet und kultiviert wurden, so dass sich die einzelnen Stöcke besser und kräftiger entwickeln konnten. Man ziehte mit einem von Pferden oder einem Traktor gezogenen Pflug Furchen, so dass in meterbreiten Abständen Streifen zurückblieben, auf denen die Lavendelpflanzen standen. Hierdurch wurden zwar einige Lavendelstöcke vernichtet, doch kam dieser Verlust durch die bei richtiger Düngung schnelle Entwicklung der Kultur, die nunmehr fast den doppelten Ertrag lieferte, gar nicht in Betracht.

Während im ersten Jahr nach dem Pflügen die Ernte noch gering war, hatte man in den beiden folgenden Jahren eine um so reichlichere Ausbeute (400 bis 600 kg pro ha). Vom 4. und 5. Jahr an wird die Ernte wieder kleiner.

Vielfach baute man den Lavendel auch an, und zwar wurde er entweder durch Samen, Stecklinge oder junge Wildlinge verbreitet. Die Samen ließ man bei mindestens Zimmertemperatur in feuchtem Sand oder Sägemehl keimen. Dann setzte man die Keimlinge in feucht zu haltende Saatbeete, um nach einigen Monaten die jungen Pflanzen ins freie Feld zu verpflanzen. Die Verbreitung der Stecklinge (bouturage), die zunächst im Mistbeet aufgezogen werden mussten, erforderte ebenfalls viel Sorgfalt und Mühe. Die jungen wilden Pflanzen, die im Mai aus dem hohen Gebirge geholt wurden, zog man ein halbes Jahr lang in der Baumschule hoch, ehe man sie verpflanzte. Während man davor die Stöcke in einer Entfernung von 0.6 bis 0.75 m voneinander in einem Reihenabstand von 1.25 bis 1.5 m setzte, ließ man 1.7 bis 2 m Abstand zwischen den Reihen und 0.5 bis 0.6 m zwischen den einzelnen Pflanzen. Es kamen dann etwa 10 000 Pflanzen auf den Hektar. Im ersten und zweiten Jahre war die Ausbeute noch unzulänglich, doch mussten die Pflanzen geschnitten werden. Erst vom dritten Jahr an war die Ernte besser und beträgt etwa 2000 kg Lavendelblüten pro ha.

Ein Arbeiter war in der Lage täglich 300 bis 400 kg zu ernten. Im allgemeinen hatten die Kulturen keine allzulange Dauer. Häufig gingen die Pflanzungen nach 5 Jahren, manchmal schon nach 3 bis 4 Jahren ein, ohne dass man die Ursache hierfür hat feststellen können. Der Anbau von Lavendel war nur dann gewinnbringend und lohnend, wenn der Landmann ohne Mithilfe von fremden Arbeitskräften außerdem noch andere Erzeugnisse des Bodens, Getreide, Oliven usw. gewann.

Destillation von Lavendelöl bei Escragonelles (Département des Alpes...Destillation von Lavendelöl bei Escragonelles (Département des Alpes maritimes), Südfrankreich

Düngung der Kulturen

Der beste Dünger für Lavendel ist nach L. Lamothe8) der künstliche, der sowohl die Ausbeute an Blüten, als auch deren Ölgehalt vermehrt. Für flachgelegene Felder empfiehlt er eine Mischung von 100 bis 120 kg Natronsalpeter, 300 kg Superphosphat und 100 bis 150 kg Kainit. Bei Kulturen, die an abschüssigen Stellen gelegen sind, ist an Stelle von Natronsalpeter Ammoniumsulfat (120 bis 150 kg) zu verwenden. Denen, die diese Methode wegen der zu hohen Kosten nicht anwenden mögen, rät Lamothe, die Lavendelzeilen 1.50 bis 2 m voneinander anzulegen und dazwischen den unter dem Namen Esparsette bekannten Süßklee (Onobrychis sativa L.) anzupflanzen, der dann, ähnlich wie die Lupine, alle 2 bis 3 Jahre untergepflügt wird, um dem Boden Stickstoff zuzuführen. Abgesehen von der Düngung, ist nur eine oberflächliche Bearbeitung des Bodens Ende März und eine gründlichere in längeren Zwischenräumen erforderlich. Außerdem sind zweimal im Jahre das dürre Holz und die abgestorbenen Pflanzen zu entfernen.

Von E. Autran und L. Fondard9) ausgeführte Düngungsversuche hatten folgendes Ergebnis. Die beste Blütenausbeute wurde ebenfalls erzielt bei Zugabe von Stickstoff als Natriumnitrat oder Ammoniumsulfat. Auch Düngen mit Phosphorsäure erwies sich als sehr vorteilhaft für das Wachstum der Pflanzen. Hingegen war Kalium (als Sylvinit, Kaliumchlorid) direkt schädlich für die Pflanze.

Die Ölausbeute war, bezogen auf die Blütenmenge, am geringsten bei Düngen mit einem Gemisch der Salze (Superphosphat, Ammoniumsulfat, Kaliumsulfat oder Superphosphat, Natriumnitrat, Kaliumchlorid), etwas besser bei Abwesenheit jeder Düngung. Getrenntes Düngen mit Stickstoff, Kalium und vor allem mit Phosphorsäure ergab die besten Resultate. Auf die Fläche bezogen hatte Düngen mit Stickstoff die beste Ölausbeute zur Folge. Weniger gute Resultate ergaben: Salzgemisch, Phosphorsäure, keine Düngung oder Kaliumchlorid. Als Schädlinge der Lavendelpflanzungen sind bekannt: die Kleeseide, Cuscuta epithymum 10), ferner die Pilze Pholiota praecox (Pers.) Quél11) und Phoma lavandulae Gabotto12). Auch die Wurzelfäule (Pourridité de la Lavande)13) wird durch einen Pilz hervorgerufen.

Entwicklung des Öls in der Pflanze

Die Veränderungen, die das Lavendelöl während der Entwicklung der Pflanzen erfährt, sind von E. Charabot14) an drei verschiedenen Ölen, und zwar aus knospentragenden, aus blühenden und aus verblühten Pflanzen studiert worden. Das Ergebnis ist aus folgender Zusammenstellung ersichtlich:

knospentragende Pflanzen blühende Pflanzen verblühte Pflanzen
d15°C 0.8849 0.8854 0.8821
α-6.53°-6.80°-6.83°
Linalylacetat36.6%40.4%39.75%
Freies Linalool21.0%16.7%18.9%
Freie Essigsäure15)524.1 mg 471.6 mg385.6 mg

Aus diesen Zahlen zieht Charabot den Schluss, dass bei der Entwicklung der Lavendelpflanze die gleichen Vorgänge eintreten, wie beim Reifen der Bergamottfrucht (siehe auch Bergamottöl). Das zuerst entstehende Linalool wird durch Einwirkung der freien Essigsäure in Linalylacetat umgewandelt, dessen Menge in der blühenden Pflanze den Höhepunkt erreicht.

Den Gehalt an freien und gebundenen Alkoholen bestimmte A. Chiris16) mittels der Methode von Glichitch (kalte Formylierung mit Essigsäureanhydrid und Ameisensäure und folgende Verseifung) an einigen authentischen Lavendelölen. Die Versuche führten zu folgendem Ergebnis:

  • Gehalt an freiem Alkohol 28 bis 46%
  • Gehalt an gebundenem Alkohol 28 bis 46%
  • Gehalt an Gesamtalkohol 73 bis 81%

Ein hoher Estergehalt entsprach immer einem niedrigen Gehalt an freiem Alkohol und umgekehrt ein geringer Estergehalt einem hohen Gehalt an freiem Alkohol. Die Gesamtmenge der sauerstoffhaltigen Bestandteile variierte verhältnismäßig wenig: zwischen 81 und 91%. Die Versuche sprechen zugunsten der Hypothese, dass die Ester der Terpenalkohole in der Pflanze durch Esterifizierung der zuvor gebildeten Alkohole entstehen.

Verbreitung des Lavendels in Südfrankreich

Die Lage der Lavendeldistrikte Südfrankreichs ist auf der Karte zu finden. Man ersieht aus ihr außerdem, dass das beste, d. h. esterreichste Öl aus den höheren, das geringere aus niedrigeren Regionen stammt. Ob nun die Höhenlage17) als solche einen Einfluss auf die Zusammensetzung des Öls ausübt, mag dahingestellt bleiben. Die Tatsache, dass in den tiefer gelegenen Gegenden Öle von niedrigerem Estergehalt erzeugt werden, findet ihre Erklärung vielleicht darin, dass hier zusammen mit Lavendel sowohl die Spikpflanze, als auch der weiter unten beschriebene Bastard zwischen beiden vorkommt. Da nun diese Pflanzen beim Sammeln der Blüten vom Lavendel nicht scharf getrennt werden, so entspricht das erhaltene Öl einem Gemisch von Lavendel- mit mehr oder weniger Lavandin- oder auch wohl Spiköl, d. h. einem Öl, das wesentlich esterärmer als reines Lavendelöl ist.

Lavendelanbaugebiete in FrankreichLavendelanbaugebiete in Frankreich (Karte mit höherer Qualität hier)

Öle von ebenfalls abweichenden Eigenschaften, d. h. solche, die sich, ohne verfälscht zu sein, durch den sehr niedrigen Estergehalt von 20 bis 30% auszeichneten, kamen früher von den Alpen der französisch-italienischen Grenze. Deren Jahresproduktion war nach A. Birckenstock immerhin so bedeutend (etwa 5000 kg), dass auf die besonderen Eigenschaften dieser Öle Rücksicht genommen werden muss. Sie haben ein sehr feines Bukett, aber es fehlt ihnen an Körper.

Die seit alters her in Frankreich gebräuchliche Gewinnungsart für Lavendelöl war das für den Wanderbetrieb sehr bequeme und deshalb auch in den meisten andern Ländern übliche Wasserdestillationsverfahren (siehe auch Hydrodestillation im Artikel Wasserdampfdestillation). Hierbei wurde das Pflanzenmaterial zusammen mit Wasser in eine kupferne Blase getan und über freiem Feuer zum Sieden erhitzt. Es war insofern vorteilhaft, als die Destilliergeräte leicht von einer Stelle an die andere gebracht werden konnten und man in der Lage war, immer dort zu destillieren, wo genügend Pflanzen vorhanden waren. Man vermeidete also einen langen Transport des Destillationsmaterials.

Ferner waren bei der Destillation mit direktem Feuer folgende Punkte zu beachten18). Es durften die Blüten vor der Verarbeitung nicht in Wasser eingeweicht werden, was am besten dadurch erreicht wurde, dass man oberhalb des Wasserspiegels einen Rost anbrachte, auf dem die Blüten ruhten. Auch wurde die Blase mit möglichst wenig Wasser gefüllt, da ein Überschuss von Wasser die Ausbeute an Öl verringerte und die Qualität verschlechterte. Die Destillation musste so schnell wie möglich (in einer Stunde) durchgeführt werden, weshalb besonders gebaute Blasen mit weitem Übersteigrohr verwendet wurden. Schließlich mussten die übergehenden Dämpfe gut gekühlt werden, weil kaltes Wasser weniger Öl löst als warmes.

Lavendeldestillation aus der Gegend von Séderon (Basses-Alpes)Lavendeldestillation aus der Gegend von Séderon (Basses-Alpes)

Mit Hilfe dieser Wasserdestillation wurden aber nur Lavendelöle bis zu etwa 40% Ester erhalten, weil das Linalylacetat während der Destillation der verseifenden Wirkung des siedenden Wassers ausgesetzt wurde. Wendete man jedoch die Dampfdestillation an, d.h. destillierte man die in Blasen gefüllten Blüten möglichst rasch mit Wasserdampf, der in einem besondern Dampfkessel entwickelt wurde, so erhielt man nicht nur eine höhere Ölausbeute, sondern auch bedeutend wertvollere Öle, d.h. solche mit einem Estergehalt von 50 bis 55, ja sogar bis 60%.

Schimmel & Co. waren die ersten, die den fundamentalen Unterschied der beiden Destillationsarten erkannten und im Jahre 1905 in Barrême (Département Basses-Alpes) eine Fabrik errichteten, in der Lavendelöl nach dem Wasserdampfverfahren hergestellt wurde.

Welchen Einfluß die Art der Destillation auf die Erhaltung der Ester hat, ist von Schimmel & Co.19) experimentell festgestellt worden. Ganz bedeutend war der Unterschied im Estergehalt der Öle, als dasselbe Material einerseits mit Dampf destilliert wurde, andrerseits nach der in Südfrankreich üblichen Wasserdestillationsmethode. Im letzteren Falle wurde unter Verwendung eines der dort gebräuchlichen Apparate in der gewöhnlichen Weise verfahren, indem 50 bis 60 kg Blüten mit der gleichen Menge Wasser – bei trockenen Blüten nimmt man etwas mehr Wasser – übergossen, destilliert und 16 L Destillat aufgefangen wurden. Die dabei erhaltenen Resultate waren folgende:

Ölausbeute [%] d15° αD Ester [%] Löslichkeit in 70%igen Alkohol
Dampfdestillatiom 0.810.8894-8.7°50.96 bis 7 Vol. (schwache Opaleszenz)
Wasserdampfdestillation0.710.8871-6.8°44.03 Vol. und mehr
Dampfdestillation0.820.8905-8.0°53.77 Vol. mit schwacher Trübung
Wasserdampfdestillation0.750.8880-6.4°43.63.3 Vol. und mehr

Der Esterverlust beim alten Destillationsverfahren gegenüber der Dampfdestillation war also sehr erheblich und betrug in dem einen Falle 7%, im anderen sogar 10%. Ferner war bei der Dampfdestillation naturgemäß auch die Ausbeute an Öl etwas größer.

Bedarf nach diesen Ergebnissen der Vorzug der Dampfdestillation keiner besonderen Erörterung mehr, so war nun weiterhin die Destillationsgeschwindigkeit aus dem oben erwähnten Grund von Bedeutung für die Erhaltung der Ester, wie zahlreiche Versuche bestätigten. Je schneller destilliert wurde, desto größer war der Gehalt an Linalylacetat. Entsprechend der Destillationsgeschwindigkeit wurden aus demselben Lavendel bis um 4% esterreichere Öle erhalten.

Die Ausbeute an Öl betrug bei frischen Blüten um 0.8%, bei trockenen bis zu 1.5%. Beim Trocknen erleideten die Blüten einen erheblichen Gewichtsverlust, der je nach der Dauer des Trocknens zu 35 bis 47% ermittelt wurde. Dabei geht nicht nur Wasser verloren, sondern auch ein Teil des Öls, wie durch Umrechnung der Ölausbeute auf das frische Destillationsmaterial festgestellt wurde. Da außerdem trockner Lavendel ein spezifisch schwereres und esterreicheres Öl ergibt als derselbe Lavendel im frischen Zustande, so ergibt sich, dass die Blüten hierbei fast nur an den leichtest flüchtigen Ölanteilen (Terpene) einbüßen. Die folgende Tabelle mag zur näheren Erläuterung des Gesagten dienen.

Art des Lavendels Verlust beim Trocken Ölausbeute20)d15°CαDEster [%]Löslichkeit in 70%igen Alkohol
Frische Blüten 0.84% 0.8891-7.33°50.3 6 Vol. und mehr
nach 1 1/2 tägigem Trocknen 35%0.79%0.8905-7.55°51.86 Vol. und mehr
Firsche Blüten 0.87%0.8859-9.67°46.94.5 Vol. und mehr
nach 4 tägigem Trocknen 47%0.79%0.8884-9.55°49.24.5 Vol. und mehr
Frische Blüten0.80%0.8875-8.1747.13 Vol. und mehr
nach 5 tägigem Trocknen47%0.72%0.8899-8.73°51.14.2 Vol. und mehr

Kleine Verluste an Ester traten allerdings beim Trocknen der Lavendelbüten auch ein, doch waren sie nur gering und betragen zwischen 10 und 25% des gesamten Ölverlustes.

Aus allem, was im Vorstehenden über die Destillation von Lavendel gesagt ist, geht demnach hervor, dass bei gleichzeitig größter Ölausbeute das esterreichste Öl erhalten wurde, wenn die Lavendelblüten in ganz frischem Zustande verarbeitet und mit Wasserdampf so schnell wie möglich destilliert wurden.

Die Destillation fand während der Zeit statt, wo der Lavendel in voller Blüte stand, d.h. von Anfang Juli bis Anfang September. Über diese Zeit hinaus zu destillieren, war im allgemeinen nicht ratsam, da dann die Qualität des Lavendels abnam, indem die Blütenstände blütenärmer wurden. Hiermit Hand in Hand ging ein Rückgang in der Ölausbeute. L. Lamothe21) rät sogar, nach dem 15. August keinen Lavendel mehr zu schneiden.

Zur Verwendung kamen nicht die Blüten allein, sondern der ganze Blütenstand einschließlich der oberen grünen Pflanzenteile. Streng genommen, sollten diese letzteren nicht mit geschnitten werden, doch geschah es meistenteils. Die holzigen Anteile der Pflanze fanden dagegen keine Verwendung. Als ein derartiges, absichtlich schlecht geschnittenes Material destilliert wurde, ergab sich ein Rückgang der Ölausbeute auf 0.5%, während die Eigenschaften und vor allem der Estergehalt des Öls selbst vollkommen dieselben waren wie die von Ölen aus normalem Destillationsmaterial (d15°C 0.8910, αD -8.22°, 51.6% Ester, löslich in etwa 6 Vol. und mehr 70%igen Alkohols mit leichter Trübung). Hieraus ist zu schließen, dass die holzigen Anteile des Lavendels wenig oder gar kein ätherisches Öl enthalten.

Infolge seiner in die Augen springenden Vorteile hatte sich das Wasserdampfdestillationsverfahren mehr und mehr eingeführt. Während 1920 nur 1/3 der Destillierapparate für die Destillation mit Dampf eingerichtet waren22), kommen nur wenige Jahre später auf 3 Destillationsanlagen mit offenem Feuer 20 Betriebe mit Dampfdestillation.

Man konnte drei Gruppen von Lavendelöldestillateuren unterscheiden:

  1. Die Großdestillateure in den Distrikten des wilden Lavendels. Die Produktion ist dort kostspielig, liefert aber ein Öl, dessen Qualität unübertroffen ist und einen höheren Preis rechtfertigt (z. B. in Basses-Alpes Barrême)
  2. Die Großdestillateure, die eigene Lavendelkulturen oder mit dem Pflug bearbeitete Felder mit wildem Lavendel besitzen und billigeres Öl produzieren können (z. B. in Drôme und Vaucluse)
  3. Landwirte, die neben ihrer Landwirtschaft Lavendel anbauen oder wilden Lavendel unter Kultur nehmen und das Öl selbst destillieren. In den letzten Jahren haben sich viele dieser Landwirte kleine Destillieranlagen angeschafft. Außerdem haben sich kooperative Gesellschaften gebildet, die für ihre Mitglieder das Öl destillieren.

Das meiste Lavendelöl, dessen Produktion in normalen Jahren insgesamt 140 000 bis 150 000 kg betrug, wurde damals von dieser dritten Gruppe von Eigentümern gewonnen.

Wanderdampfdestillation für Lavendel in Castellane (Basses-Alpes)Wanderdampfdestillation für Lavendel in Castellane (Basses-Alpes)

Die Ausbeuten waren nicht nur bei wildwachsenden und kultivierten Pflanzen verschieden, sie hingen auch von der Höhenlage und den Wetterverhältnissen ab. So soll der Lavendel aus den Kulturen bis zur doppelten Menge (1%) Öl geben, wie der wilde23). Bei warmem Wetter gaben Lavendelpflanzen aus dem Departement Drôme 0.8%, bei feuchtem 0.52 bis 0.77% Öl24). Während bei 1000 m Höhe 0.5% erhalten wurde, sank bei 1400 m die Ausbeute auf 0.3 bis 0.4%. Auch hier waren die kultivierten Pflanzen ölreicher als die wilden.

Aus einem Lavendelfeld, dessen Pflanzen in Miltitz25) aus französischem Samen gezüchtet worden waren, wurde eine Anzahl (13) Exemplare von ganz verschiedenem Habitus ausgesucht und auf ungeschlechtlichem Wege vermehrt. Bei der in mehreren Jahren ausgeführten Destillation der einzelnen Sorten stellte es sich heraus, dass nicht nur die Ausbeute innerhalb der einzelnen Typen stark schwankte (z.B. von 0.6% bis 1.07% und von 0.37% bis 0.63%), sondern auch die der verschiedenen Sorten (von 0.37% bis 1,39%).

Diese mit Barrêmer Lavendelsamen ausgeführten Kulturversuche in Miltitz waren seinerzeit in der Absicht unternommen worden, zu entscheiden, ob die Pflanzen, die in Barrême bei 700 m Meereshöhe, oder auch darüber, ein Öl mit einem Estergehalt von über 50% geben, bei der Kultivierung in der Ebene im Estergehalt zurückgehen. Mit andern Worten, ob der niedrige Estergehalt, den z.B. das englische Lavendelöl zeigt, durch die Wachstumsbedingungen der niedrigeren Höhenlage bedingt ist. Diese Frage kann nun wohl sicher verneint werden, denn von einer Verminderung des Estergehalts kann doch nicht gesprochen werden, obwohl die Kulturen seit 20 Jahren bestehen. Auch ist nunmehr die Ursache für die außerordentlichen Schwankungen in den Eigenschaften der in Miltitz hergestellten Öle gefunden. Die Festsetzung der günstigsten Erntezeit des Krautes war immer deshalb so erschwert, weil die einzelnen, jetzt ausgelesenen Sorten zu verschiedenen Zeiten aufblühten, worauf bei einer Fortsetzung der Versuche zu achten wäre. Der dem vorhergehenden Jahre genau gleiche Zeitpunkt konnte niemals erreicht werden, und das erhaltene Ol war stets das Produkt von noch nicht aufgeblühten, von ganz aufgeblühten und von schon verblühten Ähren. Die Mengen der einzelnen Pflanzensorten, die in verschiedenen Stadien zur Destillation gelangten, konnten niemals die gleichen sein, und so werden die in den früheren Jahren so verschiedenen Eigenschaften und Ausbeuten verständlich.
Würde man später durch Auslese der besten Art zu einem ganz einheitlichen Material kommen, so würde auch der für die Ernte günstigste Zeitpunkt leichter festzustellen sein.

Seit der Beendigung des ersten Weltkrieges hatte sich in Italien die Lavendelindustrie in den an Frankreich angrenzenden Teilen der Seealpen kräftig entwickelt, denn die jährliche Lavendelölproduktion stieg seit 1915 von 800 auf etwa 9000 kg 1924.26) Gewonnen wurde das Öl an zahlreichen Plätzen der italienischen Seealpen, und zwar in den Tälern von Susa, Stura, Gesso, Vermanagna, Roja, Nervia, Argentina, Arroscia, Tanaro, und auch im Aostatal.27) Der schönste Lavendel wurde bei Demonte (Sturatal), Carpasio (Argentinatal), Cosio (Arrosciatal) und Conio gefunden. Während man davor den Lavendel nur sammelte, um Streu für das Vieh zu haben, bestand dort eine der größten Lavendeldestillationsanlagen Italiens. Zwar wurde in vielen Fällen auch noch der Lavendel in den Seealpen in unrationeller und wenig sachgemäßer Weise über freiem Feuer und ohne Verwendung von Siebböden in veralteten Blasen destilliert - wie in Südfrankreich findet man auch dort die Wanderdestillation - immer mehr gelangen aber bessere Öle liefernde, moderne Verfahren zur Anwendung. Auch ging die Gewinnung des italienischen Lavendelöls allmählich von den Kleinproduzenten an die Großindustrie über.

Dass häufig ein minderwertiges Öl in Italien gewonnen wurde, lag nach Casareto teils an der zu langen Aufbewahrung des gesammelten frischen Krautes, teils an der mangelhaften Art und Weise der Destillation. So wurden z.B. durch die wiederholte Verwendung des Destillationswassers für neue Destillationen oft im Geruch an Spiköl erinnernde Öle mit hoher Säurezahl und sehr niedrigem Gehalt an Linalylacetat erhalten. Einige Destillateure vermengten das Destillationsmaterial, um es zu strecken, mit dem Kraut der ebenfalls in den Seealpen wachsenden Artemisia camphorata (Colastrauch) und erzielten so ein Produkt mit meist normalen Konstanten. An dem Camphergehalt solcher Öle ließ sich die Verfälschung nachweisen.

Im Jahre 1924 waren Ernte und Ölausbeute (im Minimum 0.35% bei Bagnasco, im Maximum 1.4% bei Demonte) normal. Ein durch Dampfdestillation im Sturatal gewonnenes Öl zeichnete sich durch den verhältnismäßig hohen, bei italienischen Lavendelölen nie beobachteten Estergehalt von 45% aus. Die hin und wieder bei den Ölen vorkommende dunkelgelbe Farbe rührte von der Verwendung verzinkter Eisenblasen oder schlecht verzinnter Kupferteile her. Apparate ganz aus Zinn und mit dicken Siebböden aus Aluminium gaben farblose, im allgemeinen sehr fein riechende Öle.

Die Ölausbeute der Ernte 1925 betrug im allgemeinen 0.5 bis 0.6 kg Öl aus 100 kg Kraut, die der Ernte 1924 0.7 bis 0.8 kg pro 100 kg. Kultivierter Lavendel gab 1 bis 1.1% Ausbeute an Öl.

Die Lavendelöldestillation befanden sich in Ungarn noch im Versuchsstadium. Nach einer Mitteilung von B. Augustin und J. Kárpáti28) wuchs der Lavendel bei Buda auf lehmigem, mit verwittertem Dolomit gemengtem Boden. Durch Dampfdestillation der unmittelbar zuvor gesammelten Pflanzen wurden folgende Ausbeuten an Öl erhalten:

  1. Aus Rohmaterial mit 10 bis 15 cm langen Stielen 0.82%
  2. Aus Rohmaterial mit 8 bis 10 cm langen Stielen 1.1%
  3. Aus Rohmaterial ohne Stielteile 1.3%

Der bei Gödöllő-mehesztelep auf sandigem Boden gepflanzte Lavendel lieferte nach Entfernung der Stielteile 3.12% ätherisches Öl.

Über Anbauversuche in Mittelungarn berichtet M. Fölsch29) Gebaut wurde auf lehmigem Boden in mittlerer Höhe, und zwar teilweise mit Stecklingen nach den in Frankreich üblichen Methoden. Die Samen und die Stecklinge hatte man zum Teil aus dem ungarischen Heilpflanzen-Institut, zum Teil direkt aus Frankreich bezogen. Während sich die Stecklinge rasch und kräftig entwickelten, blieben die aus Samen gezogenen Pflanzen im Wachstum etwas zurück. Im ersten Jahre war der Blütenertrag sehr gering; im zweiten Jahre entwickelten sich die Lavendelkulturen jedoch sehr gut, so dass sich die Destillation lohnte. Durchschnittlich wurden 0.9 bis 1.1% Gesamtöl aus den Blüten durch Wasserdampfdestillation gewonnen. Das Hauptöl hatte einen angenehmen, krautigen Geruch, erreichte aber nicht die Qualität des französischen Öls.

LavendelkulturenLavendelanpflanzungen (zweijährige und vierjährige Kultur v.l.n.r.) in Tihany am Plattensee30)

Die englische Lavendelölindustrie war im Vergleich mit der französischen von sehr untergeordneter Bedeutung. Während in Frankreich hauptsächlich die wildwachsende Pflanze zur Ölgewinnung verwendet wurde, geschah in England die Destillation ausschließlich aus der kultivierten. Die Lavendelpflanzungen-') fanden sich in Mitcham, Canterbury, Hitchin und Bournemouth und Long Melford. Die Destillation, die gewöhnlich in der ersten Woche des August begann, wurde in denselben Blasen, in denen Pfefferminze destilliert wurde, ausgeführt. Die Ausbeute aus frischen Blüten wurde auf 0.8 bis 1.7% angegeben.

Über Lavendelöl, das aus in Irland kultiviertem Lavendel (Lavandula vera und L. angustifolia) gewonnen wurde, berichten J. Reilly und P. J. Drum31) . Das Gemisch der Öle der genannten Stammpflanzen entsprach in seinen Eigenschaften dem englischen Lavendelöl.

Bekanntlich unterscheidet sich das englische Lavendelöl durch seinen geringen Estergehalt und einen cineolartigen Nebengeruch von dem französischen Öl. Infolgedessen hat das englische Lavendelöl auch keine große Bedeutung im Handel erlangt.

Über die Höhe der Lavendelölproduktion in Frankreich gab es Anfang des 20 Jahrhunderts keine offizielle Statistik, weshalb man auf die oft stark voneinander abweichenden Schätzungen angewiesen war. Während die erzeugte Ölmenge 1907 50.000 bis 60.000 kg betrug, werden für 1923 und 1924 je 60.000 bis 65.000 und für 1927 120.000 kg genannt, und für 1928 werden sogar 140.000 bis 150.000 kg angegeben. Hiernach bewegte sich die Produktion in stark aufsteigender Linie.

Über die in den einzelnen südfranzösischen Gebieten geernteten Blütenmengen, die einen Rückschluß auf die erzeugten Ölmengen ermöglichen, gibt eine vom französischen Ackerbauministerium veröffentlichte Aufstellung32) Auskunft. Im Jahre 1927 wurden folgende Blütenmengen geerntet bzw. verarbeitet:

Basses-Alpes2.200.000 kg Var 200.000 kg
Alpes-Maritimes180.000 kg Bouches-du-Rhône300.000 kg
Drôme 4.200.000 kg (geschätzt) Hautes-Alpes 1.500.000 kg
Vaucluse 2.100.000 kg

Die italienische Lavendelölproduktion beläuft sich im gleichen Zeitraum schätzungsweise auf 5.000 bis 6.000 kg 33).

Darstellung von Lavendelöl (von Itineranttrader)

Das französische Lavendelöl ist eine farblose34) bis gelbliche oder gelblichgrüne Flüssigkeit von dem angenehmen, charakteristischen Geruch der Lavendelblüten und stark aromatischem, schwach bitterem Geschmack.

Physikalische Eigenschaften

d15°C 0.880 bis 0.896
αD -3 bis -11°
nD20°C 1.458 bis 1.464

Löslichkeit in Alkohol

Es löst sich bei 20°C gewöhnlich in 2 bis 3 Volumen und mehr 70%igen Alkohols, bisweilen mit geringer Opalescenz. Manche Öle, besonders die durch Dampfdestillation erhaltenen erfordern aber zur Lösung bis zu 10 Volumen 70%igen Alkohols, in vereinzelten Fällen bleibt auch dann noch eine leichte Trübung bestehen. Ist man über die Ursache der Trübung im Zweifel, so muss eine eingehende Untersuchung über die Qualität des Öls Aufschluß geben. Von 68%igem Alkohol sind bei den in 70%igem Alkohol gut löslichen Ölen je nach dem Estergehalt bis zu 5 bis 6 Volumen und von 69%igem Alkohol etwa 3 bis 4 Volumen zur Lösung notwendig, die dann noch oft eine bei esterreichen Ölen auch auf weiteren Alkoholzusatz nicht verschwindende Opalescenz zeigt.

Linalylacetatgehalt

Der Gehalt an Linalylacetat beträgt bei den gewöhnlichen Ölen des Handels in der Regel 30 bis 40%, steigt aber bei den in sachgemäßer Weise mit Dampf destillierten Ölen bis weit über 50%. Der höchste, von Schimmel & Co. beobachtete Estergehalt war 61.7%. Nach dem Estergehalt, mit dem der Wert des Öls Hand in Hand geht35), teilt man die Lavendelöle in verschiedene Klassen ein, solche von etwa 30%, 35%, 40% und 50% und darüber. Die meisten Arzneibücher nehmen mit 30%igen oder 35%igen Ölen vorlieb, einzelne berücksichtigen den Estergehalt überhaupt nicht. Öle mit weniger als 30% Linalylacetat sind meist verfälscht, selten hängt der niedrige Gehalt mit der Herkunft der Blüten oder mit mangelhafter Destillation zusammen, durch die ein Teil der Ester zerstört wurde.

Vergleich verschiedener französischer Öle

An Lavendelölen, die sie selbst in Südfrankreich durch Dampfdestillation gewonnen hatten, beobachteten Schimmel & Co.36) folgende Eigenschaften. Dazu wird ein Öl, welches in Leipzig destilliert wurde, vermessen.37)

Barrêmer Öle Saulter Öle Leipzig
d15°C 0.886 bis 0.896 0.885 bis 0.891 0.888
αD-7 bis 9.55°-7 bis 8° -8.67°
Ester 47 bis 56% 36 bis 43% 55.1%
Löslichkeit in 70%ig. Alkohol 3 bis 7 Vol. u.m. 3 bis 10 Vol. 10 Vol. u.m.
nD20°C 1.46010
SZ 0.5
EZ 157.6

Wie schon auf erwähnt worden ist, weisen die in den Alpen der französisch-italienischen Grenze durch Wasserdestillation gewonnenen Lavendelöle einen besonders geringen Estergehalt auf. Gleichzeitig sind sie durch niedriges spezifisches Gewicht und verhältnismäßig starke Drehung ausgezeichnet. A. Birckenstock38) gibt folgende Grenzwerte an. Ähnlich sind die Angaben, die P. Jeancard und C. Satie39) über Lavendelöle aus den italienischen Alpen machen:

Birckenstock Jeancard und Satie
d15°C 0.878 bis 0.882 0.88826 bis 0.8870
αD -8 bis -9°-6 bis -9.5°
Estergehalt20 bis 30%20.3 bis 29.6%
Löslichkeit in 60%ig. Alkohol 10 bis 12 Vol6 bis 8 Vol
Löslichkeit in 70%ig. Alkohol 1.7 bis 2.4 Vol
Löslichkeit in 65%ig. Alkohol 2 bis 4 Vol

Aus einer Veröffentlichung von P. Rovesti40) geht hervor, dass sich der Estergehalt der Öle aus den italienischen Seealpen gegen früher bedeutend erhöht hat. Er untersuchte 21 aus verschiedenen Distrikten in Höhen von 600 bis 1400 m stammende Lavendelöle - 5 von den Ölen, und zwar die aus Upega im Tanaro-Tale, Vinadio und Demonte im Stura-Tale und zwei Öle von kultiviertem Lavendel aus Demonte und Castelvittorio, hatte man durch Wasserdampfdestillation erhalten - und gelangte zu folgenden Ergebnissen:

Die Konstanten der 5 durch Wasserdampfdestillation erhaltenen (und die der übrigen) Öle bewegten sich in folgenden Grenzen:

d15°C 0.889 bis 0.8931 (0.8798 bis 0.891)
αD -6.1 bis -8.2° (-4.2 bis -8.3°)
nD20°C 1.4610 bis 1.4628 (1.4619 bis 1.4639)
Löslichkeit in 78%ig. Alkohol 2.8 bis 3.1 Vol. (0.3 bis 2.9 Vol.)
S.Z. 0.28 bis 0.78 (0.28 bis 4.7)
E.Z. 110.13 bis 123.2 (14.93 bis 108.27)
Estergehalt als Linalylacetat 38.54 bis 43.12% (5.22 bis 37.89%)
Gesamtalkoholgehalt41)65.98 bis 74.28% (58.12 bis 74.9%)
Gesamtalkoholgehalt42)72.51 bis 80.29% (66.53 bis 82.15%)

Die meisten Öle von wildem Lavendel enthielten 25 bis 33% und einzelne 35 bis 38% Linalylacetat, die Öle von kultiviertem Lavendel bis 43% Linalylacetat.

Zwei terpenfreie Lavendelöle, gewonnen aus Ölen mit 28 und 32% Estergehalt, hatten nach Rovesti folgende Konstanten:

d15°C 0.8931 und 0.8943
αD -7.61 und -8.12°
nD20°C 1.4623 und 1.4626
Löslichkeit in 70%ig. Alkohol 2 Vol.
Estergehalt 35.9 bis 40.25%
Gesamtalkoholgehalt43)81.1 und 81.65%

Das ätherische Öl eines bei Palermo gesammelten Lavendels hatte nach G. Pellini und V. Morani44) folgende Konstanten:

d15°C 0.884 bis 0.8907
αD -4.54 bis -5.43°
nD20°C 1.4636 bis 1.4674
S.Z. 0 bis 1.16
E.Z. 18.6 bis 37.6
E.Z. nach Actlg. 123.7 bis 137.3
Estergehalt als Linalylacetat 6.51 bus 13.60%
Löslichkeit in 70%ig. Alkohol 1.95 bis 3.7 Vol.

Das in England sehr geschätzte englische oder Mitcham-Lavendelöl ist ebenfalls durch einen niedrigen Estergehalt ausgezeichnet und unterscheidet sich von dem französischen weiterhin durch einen campher- oder vielmehr cineolartigen Nebengeruch.

d15°C 0.881 bis 0.904
αD -1 bis -10°
nD20°C 1.465 bis 1.470
Linalylacetat5 bis 10%
Löslichkeit in 70%ig. Alkohol 2 bis 3 Vol.

Nach J. Reilly und C. Boyle45) hatte ein Lavendelöl, das aus englischen, in Irland bei Cork kultivierten Pflanzen gewonnen worden war, die Konstanten:

d15°C 0.8968
αD -5.33°
nD20°C 1.4679
S.Z.0.7
E.Z.14
Linalylacetat5 bis 10%
Löslichkeit in 70%ig. Alkohol 2 bis 3 Vol.

Ein andres Öl von gewöhnlichen, vor 7 Jahren bei Cork angebauten Lavendelpflanzen hatte die Konstanten: d 0.890, αD -7.5°, n 1.4650, S.Z. 2.4, E. Z. 69.

Ähnlich wie Spiköl verhält sich das als spanisches Lavendelöl in den Handel kommende Produkt. Wahrscheinlich ist es das Öl des Lavandin, der sich in den nördlichen Provinzen Lerida und Teruel findet. Es unterscheidet sich vom Spiköl eigentlich nur dadurch, dass es meist linksdrehend ist:

d15°C 0.900 bis 0.914
αD links bis -5°, selten schwach rechts
αD der ersten 10% Destillatmeist rechts
nD20°C 1.464 bis 1.466
S.Z.bis 2
E.Z.5 bis 22
Linalylacetat1.8 bis 7.7%
Löslichkeit in 70%ig. Alkohol 1.5 bis 2 Vol.

Zu bewerten ist das spanische Lavendelöl natürlich nur wie Spiköl, und nicht wie französisches Lavendelöl.

Zahlreiche ungarische Öle sind im Laboratorium von Schimmel & Co. untersucht worden.

d15°C 0.8846 bis 0.9098
αD -5.86 bis -11.28°46)
nD20°C 1.45742 bis 1.46529
S.Z.bis 0.9
Estergehalt30 bis 62% 47)
Löslichkeit in 70%ig. Alkohol 2 bis 3 Vol.
Löslichkeit in 80%ig. Alkohol 1 bis 2 Vol.

Einzelne esterreiche Öle (um 50% herum) waren selbst in 10 Volumen 80%igen Alkohols noch nicht völlig löslich.

Mehrere von B. Augustin und J. Kárpáti48) dargestellte Öle hatten folgende Eigenschaften:

  1. Öl aus Buda: d15°C 0.876, Estergehalt 34%, Farbe hellcitronengelb
  2. Öl aus Gödöllö, d15°C 0.884, Estergehalt 17%, Farbe kaum wahrnehmbar gelb

Der Geruch der Öle aus Buda war viel stärker als der der Öle aus Gödöllö.

Das aus Anbauversuchen in Mittelungarn stammende Öl hatte einen angenehmen, krautigen Geruch, erreichte aber nicht die Qualität des französischen Öls und zeigte die Konstanten: d15°C 0.882 bis 0.885, αD -5.17 bis -5.5°, löslich in 2 Vol. 70 % igen Alkohols, Estergehalt 23.5 bis 26.13%.49)

Ein Öl von auf der Insel Lissa (Dalmatien) in einer Höhe von 900 m kultiviertem Lavendel hatte folgende Eigenschaften:

d15°C 0.890
αD -10°
Estergehalt 57.1%
Löslichkeit in 70%ig. Alkohol 3 Vol.

Wie dem Verfasser des Artikels aus Dalmatien berichtet worden war, enthielten zwei weitere Lavendelöle, die von in 250 und 500 m Höhe gewachsenen Pflanzen stammten, 43 und 49% Ester.

Ein noch höherer Estergehalt, nämlich 61.6%, ist an einem aus trocknen Blüten in Comisa (Insel Lissa) gewonnenen Öl beobachtet worden. Es hatte die Konstanten: d 0.899, αD -8.5°, löslich in 4 Vol. 70% igen Alkohols.

Durch Wasserdestillation (über freiem Feuer) von Lavendel, der in Griechenland am Pilion bei Volos kultiviert worden war, gewann J. Gasopoulos50) etwa 0.7% ätherisches Öl mit den Konstanten: d 0.881 bis 0.889, αD -4 bis -8°, nD 1.460 bis 1.4621, Esterzahl 83 bis 100, Linalylacetat 30 bis 35%.

Die erste Untersuchung des französischen Lavendelöls, bei der moderne Hilfsmittel angewandt wurden, haben J. Bertram und H. Walbaum 51) ausgeführt.

Terpene im Lavendelöl

Linalool

Nach ihr bildet den Hauptbestandteil des Öls l-Linalylacetat, das in Mengen von 30 bis 60% vorkommt. Neben dem Essigsäureester des Linalools sind die Ester der Buttersäure (Analyse des Silbersalzes)52) und Valeriansäure sowie Capronsäure (Analyse des Silbersalzes)53) in geringen Mengen zugegen. Ameisensäure war jedoch nicht nachweisbar. Linalool ist im Lavendelöl nicht nur als Ester, sondern auch in freiem Zustand vorhanden.

Pinen

Während ein von der Firma Schimmel & Co. aus getrockneten Blüten destilliertes Öl kein Pinen enthielt, wurde in dem von 160 bis 170°C siedenden Vorlauf einer größeren Menge französischen Öls sehr wenig α-Pinen (Pinennitrosochlorid Smp. 102°C; Pinennitrolbenzylamin, Smp. 122 bis 123°C) gefunden.

Lassen sich aus einem Lavendelöl größere Quantitäten Pinen isolieren, so ist der Verdacht der Terpentinölverfälschung berechtigt, besonders wenn er durch die Bestimmung des Estergehalts, des spez. Gewichts, der optischen Drehung und der Löslichkeit in 70%igem Alkohol gestützt wird. Andrerseits deutet ein größerer Cineolgehalt im französischen Öl auf Verfälschung mit Spiköl hin.

Cineol

Cineol ist ebenfalls nur spurenweise vertreten. Es war in einem Falle nur nachweisbar (Bromwasserstoffverbindung; Jodolreaktion), nachdem das in der betreffenden Fraktion enthaltene Linalool durch Erwärmen mit Ameisensäure zerstört worden war.54)

Später sind im Laboratorium von Schimmel & Co. nochmals vier französische Lavendelöle von verschiedenem Estergehalt auf Cineol geprüft und zu dem Zweck mit 50%iger Resorcinlösung ausgeschüttelt worden. Dabei gingen in Lösung:

von 30%igem Lavendelöl 49%von 40%igem Lavendelöl 30%
von 35%igem Lavendelöl 38%von 50%igem Lavendelöl 23%

Der nicht an Resorcin gegangene Anteil roch ausgesprochen nach Linalylacetat. Der von Resorcin aufgenommene Ölanteil wurde aus der Lösung durch Destillation mit Wasserdampf wieder abgeschieden. Cineolgeruch konnte bei keinem der vier Destillate mit Sicherheit erkannt werden. Auch reagierten sie nicht mit Jodol, so daß höchstens Spuren von Cineol zugegen sein konnten.

Geraniol

Das Linalool wird im Lavendelöl von einem zweiten Alkohol C10H18O, dem Geraniol, begleitet. Beim Behandeln des unter 13 mm Druck bei 110 bis 120°C siedenden Anteils des Lavendelöls ließ sich mit Hilfe von Calciumchlorid ein Öl abscheiden, aus dem das Diphenylurethan des Geraniols vom Smp. 82°C erhalten wurde.55) Der Alkohol findet sich sowohl frei als auch als Ester der Essig-, Butter-, Valerian- und Capronsäure im Öl.56)

Borneol

d-Borneol57), auf dessen Vorkommen schon Bruylants hingewiesen hatte, ist sowohl frei als auch als Essigsäureester in dem Öl vorhanden. Es wurde nachgewiesen durch Oxidation zu Campher (Oxim, Smp. 118 bis 119°C).

Nerol

Mach F. Elze58) enthält Lavendelöl Nerol (Tetrabromid, Smp. 118 bis 118.5°C; Diphenylurethan, Smp. 50°C) sowie Thymol (Smp. 50 bis 51°C; Phenylurethan, Smp. 107 bis 107.5°C; Nitrosoderivat, Smp. 160 bis 160.5°C). Da ein von Schimmel & Co. aus Miltitzer Lavendel destilliertes Öl keine Spur Thymol enthielt59), so ist dies Phenol nicht als ein normaler Bestandteil anzusehen. Vielmehr muss angenommen werden, dass es durch Mitdestillieren eines thymolhaltigen Krautes in das von Elze untersuchte Öl gekommen war.

Caryophyllen

Die Sesquiterpenfraktion des Lavendelöls besteht aus Caryophyllen (Caryophyllenalkohol, Smp. 93 bis 93.5°C; Phenylurethan, Smp. 136 bis 137°C).60)

In einer der französischen Lavendelölindustrie gewidmeten Nummer der Parfumerie moderne61) findet sich eine Bemerkung, dass echtes Lavendelöl kein Linalylacetat, sondern vor allem Linalylbutyrat enthalte. Ferner behauptet G. Dalton62) in einem Artikel über moderne Verfälschungen, dass die Gegenwart von Essigsäureestern im Lavendelöl ohne weiteres als ein Anzeichen einer Verfälschung angesehen werden könne. Lavendelöl enthalte keine Acetate, vielmehr vor allem Linalylbutyrat und geringe Mengen von Propionat und Estern höherer Alkohole.

Diese allen bisherigen Erfahrungen widersprechenden und durch keine exakten Beweise gestützten Behauptungen veranlassten bald verschiedene Interessenten, französisches Lavendelöl erneut zu untersuchen. A. Chiris63) analysierte je ein in Barrême und Puberclaire destilliertes Lavendelöl und wies unter Zerlegung des Untersuchungsmaterials in einzelne Fraktionen eindeutig (Analyse der Silbersalze) nach, dass diese Öle in der Hauptsache Acetate enthielten. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen P. Langlais und J. Goby64) bei der Untersuchung von Lavendelölen aus Apt, La Malle und Castellane und auch J. Dupont und L. Labaune65), die ein 1926 von Roure-Bertrand Fils destilliertes Lavendelöl untersuchten. P. Langlais, J. Goby und A. Reclaire66) gewannen die Estersäuren des Lavendelöls als Kalisalze und stellten fest, dass von den in Freiheit gesetzten Säuren 94% aus Essigsäure bestanden.

Dass auch die Ester des Extraktöls hauptsächlich Acetate sind, ist von C. Kleber67) nochmal besonders dargetan worden.

Im Anschluss an diese Veröffentlichungen über den Estergehalt des Lavendelöls teilen A. Kaufmann und F. Kjelsberg68) mit, dass sie ein 97.86%iges Linalylbutyrat (d15°C 0.8970; [α]D —10.02°; nD 1.4518) und ein 94.49%iges Linalylisobutyrat (d15°C 0,8926; [α]D —11.89°; nD 1.4487) darstellten. Sie geben ferner an, dass sich Linalylformiat und -acetat viel leichter verseifen ließen als das Butyrat und das Isobutyrat. In 50%igen Lösungen waren das Formiat und das Acetat nach 20 Minuten, das Butyrat nach 4 Stunden und das Isobutyrat erst nach 8 Stunden ungefähr völlig verseift. Echtes destilliertes Lavendelöl zeigte nach einer Verseifungsdauer von 20 Minuten einen Estergehalt von 50.6% nach einer Verseifungsdauer von 8 Stunden einen Estergehalt von 51.7%. Dieser Versuch beweist indirekt, dass destilliertes Lavendelöl u.a. nur sehr geringe Mengen Linalylbutyrat und in der Hauptsache Linalylacetat enthält.

Einem Artikel von P. Rovesti69) über die Kultur des Lavendels in den italienischen Seealpen sind folgende Angaben über das Mengenverhältnis von Linalylacetat und -butyrat (bestimmt durch die verschiedenen Verseifungsgeschwindigkeiten) in den Lavendelölen verschiedener Vegetationsperioden entnommen. Der Gehalt an Linalylacetat erreichte sein Maximum (35.6%) in einem Öl, das aus voll entwickelten, zum Teil bereits abzufallen beginnenden Blüten (9. August) gewonnen war, um mit der weiteren Entwicklung der Blüte wieder zu sinken (30% am 20. August). Andrerseits nahm der Gehalt der Öle an Linalylbutyrat ständig zu, von 0.38% (beginnende Blüte am 1. August) auf 2.49% (reife Blüten am 9. August) bis auf 6.18% (verwelkende Blüten am 20. August). Der Gehalt der Öle an freiem Alkohol fiel vom ersten Aufblühen der Knospen (22. Juli) bis zur vollen Blüte (9. August) von 51.31% auf 46.5% und blieb von da an annähernd konstant. Äußerlich machte sich die verschiedene Zusammensetzung der Öle einzelner Vegetationsstadien schon durch Geruch und Farbe bemerkbar. Der Geruch der Öle wurde immer süßlicher und verlor immer mehr die lavendelartige Nuance, die Farbe wurde gelb bis bräunlichgelb, je weiter die Entwicklung der Blüte fortschritt.

Cumarine im Lavendelöl

Ein für den Geruch nicht unwichtiger Körper ist das Cumarin (Smp. 68.5 bis 69.5°C), das im Jahr 1900 von Schimmel & Co.70) in dem Öl aufgefunden wurde. Von weiteren Bestandteilen sind im Laufe der Zeit noch eine ganze Anzahl von Schimmel & Co. nachgewiesen worden.

Ein Bestandteil des Lavendelextraktöls ist, wie A. Kaufmann und F. Kjelsberg71) gefunden haben, Umbelliferonmethylether, C10H8O3 (4-Methoxycumarin, Smp. 117 bis 118°C). In einem 'absoluten' Öl waren 4.5% davon enthalten, während sich bei einem von A. St. Pfau72) untersuchten 'konkreten' Lavendelöl 2.5% dieses Ethers als Kristalle absetzten.

Über die Mengenverhältnisse des in verschiedenen Lavendelprodukten vorkommenden Cumarins und Umbelliferonmethylethers unterrichtet eine Arbeit von A. Ellmer.73) Aus einem destillierten Lavendelöl (Barrême) isolierte der Verfasser nach dem unten angegebenen Verfahren durch Ausschütteln mit kaltgesättigter, wässriger Barythydratlösung 0.8% Cumarin. Aus 1000 kg Lavendel würde man demnach bei einer Ölausbeute von 0.8% 64 g Cumarin erhalten. Andrerseits wurden aus einem durch Alkoholauswaschungen gewonnenen Extraktöl 3.4% Cumarin (Smp. 69°C) und 0.9% Umbelliferonmethylether (Smp. 117.5°) isoliert. Demzufolge sind in 1000 kg Lavendel 227 g Cumarin und mindestens 60 g Umbelliferonmethylether enthalten. Ein anderes konkretes (nicht mit Alkohol behandeltes) Benzolextraktöl enthielt mindestens 5% Umbelliferonmethylether (letzterer ist in Alkohol weniger leicht löslich als in Benzol). Der im Vergleich zu den destillierten Lavendelölen mindestens um das Vierfache höhere Cumaringehalt der Extraktöle lässt sich nach Ellmer mit der Annahme erklären, dass während der Extraktion der Pflanze noch ständig Cumaringlucosid gespalten und Cumarin frei wird. Bei der Destillation hingegen werden die in der Pflanze vorhandenen Fermente sofort zerstört, und nur das gerade vorhandene freie Cumarin geht mit dem Öl über. Hierin liegt auch eine Erklärung für den von dem Ausgangsmaterial abweichenden Geruch der Extraktöle.

Der Gang der vom Verfasser ausgearbeiteten, allgemein anwendbaren Methode zur quantitativen Isolierung von Cumarin und Umbelliferonmethylether aus ätherischen Ölen ist etwa folgender:

Das Öl wird in dem gleichen Vol. Methanol gelöst, möglichst auf 0°C abgekühlt und mit Normalkalilauge zur Abscheidung der freien Säuren unter Anwendung von Phenolphthalein sehr schnell auf rot titriert. Die Lösung wird sofort mit Ether und Eiswasser, die abgetrennte Etherlösung dreimal eine Stunde lang mit konzentrierter Barythydratlösung geschüttelt. Man scheidet dann die Lactone aus den vereinigten Lösungen mit verdünnter Salzsäure ab, nimmt sie mit Ether auf und gewinnt sie hieraus.74)

Im Vorlauf finden sich Furfural75) (Reaktion mit salzsaurem Anilin) und ein wahrscheinlich mit Valeraldehyd76) identischer Aldehyd, ein Alkohol von den Eigenschaften des Amylalkohols (Sdp. 129 bis 133°C; Smp. des Phenylurethans 39 bis 41°C, wahrscheinlich ein Gemenge mehrerer Isomerer)77) und das durch seinen erfrischenden Geruch ausgezeichnete 3-Octanon (Semicarbazon, Smp. 117 bis 117,5°C; Oxidation zu Capronsäure)78), das im Öl nur zu 0.2% enthalten ist.

Das englische Lavendelöl ist von F.W. Semmler und F. Tiemann79) untersucht worden. Aus dem Vorlauf dieses Öls erhielten sie ein bei 105°C schmelzendes Tetrabromid, wodurch die Anwesenheit von Limonen dargetan ist. Die von 85 bis 91°C (15 mm) siedende Fraktion bestand aus l-Linalool, die von 97 bis 105°C siedende aus l-Linalylacetat. Das englische Lavendelöl ist vom französischen durch seinen größeren Reichtum an Cineol sowie durch seinen viel geringeren, nur etwa 5 bis 10% betragenden Estergehalt verschieden.

Ein sizilianisches Lavendelöl ist von G. Pellini und V. Morani80) untersucht worden. Im Geruch ähnelte das Öl dem englischen Lavendelöl und dem Spiköl. Die Autoren zerlegten das Öl durch fraktionierte Destillation bei 18 mm Druck in 9 Fraktionen und stellten dabei die Anwesenheit folgender Bestandteile fest: Furfurol (mit Anilinacetat Rotfärbung), Cineol 21.24% (Resorcinmethode; Jodolverbindung, Smp. 111 bis 112°C), viel freies l-Linalool (nach Oxidation zu Citral, α-Citryl-β-naphthocinchoninsäure, Smp. 199 bis 200°C), kleine Mengen d-Borneol, Smp. 204 bis 205°C, höhere Ester, vielleicht auch Sesquiterpene. Demnach unterscheidet sich das sizilianische Öl von den meisten andern Lavendelölen. Den hohen Cineolgehalt hat es mit dem englischen, den hohen Gehalt an freien Alkoholen, Linalool und Borneol, mit dem spanischen Lavendelöl gemeinsam.

Das aus Lavendelblüten mit Hilfe von flüchtigen Lösungsmitteln, besonders von Benzol, hergestellte Extrakt, Lavande concrete oder Essence concrete Lavande, ist von weicher, salbenartiger Konsistenz und gelblicher bis grüner Farbe. Die Untersuchung von 10 Extrakten durch H. Walbaum und A. Rosenthal81) ergab die Säurezahl 5.6 bis 28 und die Esterzahl 95.2 bis 126.0, im Durchschnitt S.Z. 15.4, E.Z. 107.0.

Das Extrakt enthält Ester des Linalools, und zwar hauptsächlich Acetate, Cumarin82), Umbelliferonmethylether83), Cumarsäure (Smp. 207°C), Cedren (Cedrenglykol, Smp.l50°C) und Chlorophyll.84)

Der Wert des Lavendelöls hängt von seinem Gehalt an Linalylacetat ab. Wenn auch der Ester selbst nicht allein für die Güte des Öls maßgebend ist, so stehen doch immer die Feinheit und der Handelswert des Öls im direkten Verhältnis zur Menge des vorhandenen Esters, vorausgesetzt natürlich, daß das Öl ein normales Destillat ist, dem nicht etwa von sorgloser Herstellung ein brenzliger Geruch anhaftet. Ein solcher Fall wäre aber sehr unwahrscheinlich, da durch unrationell ausgeführte Destillation ein Teil des Esters zerstört wird. Deshalb muss ein sorgfältig gewonnenes Öl auch stets einen verhältnismäßig hohen Estergehalt zeigen. Wird beim Destillieren das Linalylacetat teilweise zersetzt, so wirkt die freigewordene Säure zerstörend auf das Linalool ein und beeinträchtigt auch hierdurch das Aroma in merklicher Weise.

Durch Verfälschungen wird der Estergehalt meist erniedrigt. Es ist deshalb sowohl bei der Prüfung wie bei der Wertbestimmung die quantitative Verseifung unbedingt erforderlich.

Bei der Prüfung auf fremde Zusätze sind spez. Gewicht, Drehungsvermögen und Löslichkeit in 70%igem Alkohol heranzuziehen.

Die häufigsten Verfälschungsmittel waren früher Terpentinöl, Cedernholzöl und Spiköl. Terpentinöl verringert Estergehalt und Löslichkeit in 70%igem Alkohol, erniedrigt das spez. Gewicht und kann als Pinen (vgl. unter Zusammensetzung) ohne besondere Schwierigkeiten nachgewiesen werden. Cedernöl beeinflußt gleichfalls die Löslichkeit und den Estergehalt, während Spiköl nur den Estergehalt herabdrückt. Außerdem ist Spiköl durch seinen größeren Reichtum an Cineol und durch seinen Gehalt an d-Campher unterschieden.

Viel gefährlicher, weil schwerer nachweisbar, als die genannten Substanzen sind Zusätze solcher Mittel, die den Linalylacetatgehalt des Öls scheinbar erhöhen. Es sind dies Terpinyl- und Glycerinacetat sowie die Äthylester der Phthal-, Bernstein-, Oxal-, Wein-, Citronen- und Laurinsäure. Reine Lavendelöle zeigen bei der fraktionierten Verseifung eine Differenz der Esterzahlen von höchstens 4, während die Differenz zwischen Verseifungszahl und Säurezahl II im allgemeinen nicht über 5 ist. Etwas größere Differenzen können auch mit einer Verharzung zusammenhängen, in zweifelhaften Fällen sind die Prüfungen an dem mit Wasserdampf rektifizierten Öl zu wiederholen.


1)
Die Bezeichnung femelle soll lediglich einen Größenunterschied, keinen Geschlechtsunterschied, gegenüber dem male genannten Spiklavendel zum Ausdruck bringen.
2)
Lavande et Spic. 2. Aufl. Le Grand-Serre (Dröme) 1908. Die 3. Aufl. ist 1917 unter dem Titel Culture et industrie des plantes aromatiques et des plantes medicinales de montagne par R. M. Gattefosse et Lamothé erschienen.
3)
L. fragrans Jord. ist im Index Kewensis nicht erwähnt, wohl aber L. fragrans Salisb., die als synonym mit Lavandula angustifolia Mill. angegeben wird. (http://www.theplantlist.org/tpl1.1/record/kew-109020)
5)
Perfum. Record 12 (1921), 252.
6)
Über die Botanik des Lavendels siehe L. Fondard, Recherches morphologiques et biologiques sur les lavandes. Thèse. Antibes 1922; Bericht von Schimmel & Co. 1928, 59. - M. Humbert, Perfum. Record 12 (1921), 177 sowie Bericht von Schimmel & Co. 1922, 126.
7)
E. S. Günther, The Lavender Industry in Southern France. Americ. Perfumer 23 (1928), 584; Bericht der Schimmel & Co. 1929, 57. vgl. auch C. Mourre, La lavande francaise. Paris 1923.
8)
L. Lamothe, Lavande et Spie. 2. Aufl. Le Grand-Serre (Drôme) 1908.
9)
Office régionale agricole du midi 1923, Nr. 7, S. 1.
10)
Travaux de l'Office National des Matières premières végétales. No. 7. Januar 1921 sowie Bericht von Schimmel & Co. 1924, 136.
11)
Parfum. moderne 16 (1923), 136 sowie Bericht von Schimmel & Co. 1924, 136.
12)
Kew Bull. 1916, 113 sowie Bericht von Schimmel & Co. 1917, 30.
13)
Parfum. moderne 17 (1924), 62 sowie Bericht von Schimmel & Co. 1925, 160.
14)
Compt. rend. 130 (1900), 257.
15)
in 100 mL Destillationswasser
16)
Les Parfums de France 1924, 262.
17)
Vgl. Jeancard u. Satie, Bull. Soc. chim. III. 23 (1900), 549; IV. 3 (1908), 155.
18)
Bull. Roure-Bertrand Fils Oktober 1921, 59.
19)
Bericht von Schimmel & Co. April 1907, 71.
20)
bezogen auf frische Blüten
21)
Parf. moderne 18 (1925), 103.
22)
Bericht von Schimmel & Co. 1924, 54.
23)
Perfum. Record 11 (1920), 251 sowie Bericht von Schimmel & Co. 1921, 31.
24)
Fondart, Perfum Record 14 (1923), 173 sowie Bericht von Schimmel & Co. 1924, 54.
25)
E. Brauer, Kulturversuche mit Lavendel. Jubiläumsbericht der Schimmel & Co. A.G. 1929, 141.
26)
Perfum. Record 22 (1921), 5; Bericht von Schimmel & Co. 1921, 32; P. Rovesti, Profumi italici 2 (1924), 45; Bericht von Schimmel & Co. 1925, 45; M. Casareto, Lavendeldestillation in Italien. Mit Abbildungen und einer Karte. Profumi italici 3 (1925), 199; Bericht von Schimmel & Co. 1920, 65; P. Rovesti, Rivist. ital. delle ess. e dei prof. 10 (1928), 203; Bericht der Schimmel & Co. A.G. 1929, 59.
27) , 33)
Chem. Industrie 52 (1929), 502.
28)
Herba = Naptár az 1923, évre, Budapest 1922, S. 76.
29)
Riechstoffindustrie 1927, 243.
30)
Anlagen der Firma Dr. Julius v. Bittera (Fabrik ätherische Öle und chemischer Produkte in Budapest) Aufnahme von Vinzent Augustin. Aus dem Bericht der Schimmel & Co. A.G. 1929.
31)
Perfum. Record 17 (1926), 212.
32)
Bericht von Schimmel & Co. 1928, 58.
34)
Farblos sind meist nur die rektifizierten Öle. Das Rektifizieren des Lavendelöls ist aber ganz unrationell, weil dadurch der wichtigste Bestandteil, das Linalylacetat, teilweise zerstört wird. Auch haben rektifizierte Öle durchweg einen faden Geruch (Bericht von Schimmel & Co. Oktober 1894, 30).
35)
A. Chiris (Les Parfüms de France 6 (1928), 262) ist der Ansicht, dass der Gehalt an sauerstoffhaltigen Bestandteilen, d. h. an freien Alkoholen und Estern, viel bezeichnender für den Wert eines Lavendelöls sei als der Estergehalt allein. Die Menge der jeweils vorhandenen freien Alkohole stehe im umgekehrten Verhältnis zum Estergehalt, infolgedessen variiere der Gehalt an sauerstoffhaltigen Bestandteilen innerhalb ziemlich enger Grenzen (79 bis 91%). Die feinsten Lavendelöle enthielten stets über 88% sauerstoffhaltige Bestandteile, während Öle von jungen Pflanzen mit 60 bis 73% sauerstoffhaltigen Bestandteilen und 36 bis 43% Estergehalt einen viel weniger feinen Geruch hätten.
36)
Bericht von Schimmel & Co. April 1907, 73.
37)
Bericht von Schimmel & Co. Oktober 1903, 65.
38)
Action de l'hybridation sur les essences de lavande et aspic. Moniteur scientifique de Quesneville, mai 1906.
39)
Bull. Soc. chim. IV. 3 (1908), 155.
40)
Profumi italici 3 (1925), 208.
41)
durch Acetylieren nach Boulez bestimmt
42)
durch Formylieren in der Kälte bestimmt
43)
durch Formylieren bei gewöhnlicher Temperatur bestimmt
44)
Annali di Chim. applic. 13 (1923), 97.
45)
Econ. Proc. Royal Dublin Soc. 2 (1927), 285. Nach Journ. Soc. chem. Ind. 47 (1928), B. 69.
46)
dreimal bei 28 Ölen auch darunter, bis herab zu -1.77
47)
bei 28 Ölen dreimal darunter, bis herab zu 10.5%
48)
Herba = Naptár az 1923, évre, Budapest 1922, S. 76.
49)
M. Fölsch, Riechstoffindustrie 1927, 243.
50)
Arch. der Pharm. 265 (1927), 43.
51)
Journ. f. prakt. Chem. II. 45 (1892), 590.
52)
Bericht von Schimmel & Co. April 1904, 60.
53) , 56)
Bericht von Schimmel & Co. April 1903, 44.
54)
Bericht von Schimmel & Co. Oktober 1893, 25.
55)
Bericht von Schimmel & Co. April 1898, 32.
57) , 77)
Bericht von Schimmel & Co. Oktober 1903, 42.
58)
Chem.-Ztg. 34 (1910), 1029.
59)
Bericht von Schimmel & Co. Oktober 1915, 27.
60)
Bericht von Schimmel & Co. April 1913, 66.
61)
Parfum. moderne 19 (1926), 149.
62)
Perfum. Record 17 (1926), 433.
63)
Les Parfums de France 4 (1926), 358.
64)
Perfum. Record 17 (1926), 520.
65)
Rev. des Marques de la Parf. et de la Sav. 4 (1926), 609.
66)
Perfum. Record 18 (1927), 47.
67)
Americ. Perfumer 21 (1927), 680; 22 (1927), 275.
68)
Parfum. moderne 20 (1927), 108.
69)
Rivist. ital. delle ess. e dei prof. 10 (1928), 203.
70)
Bericht von Schimmel & Co. Oktober 1900, 40; April 1903, 44.
71)
Parfüm, moderne 20 (1927), 108.
72)
Perfum. Record 18 (1927), 205.
73)
Riechstoffindustrie 1927, 206.
74)
Einzelheiten über die Trennung von Cumarin und Umbelliferonmethylether werden nicht angegeben.
75)
Bericht von Schimmel & Co. Oktober 1903, 44
76)
Bericht von Schimmel & Co. April 1903, 41.
78)
Bericht von Schimmel & Co. April 1903, 41; Oktober 1903, 44.
79)
Berl. Berichte 25 (1892), 1186.
80)
Annali di chimica applicata 13 (1923), 97.
81)
Jubiläumsbericht der Schimmel & Co. A.-G. 1929, 193.
82)
C.Kleber, Americ. Perfumer 21 (1927), 680; 22 (1927), 275.
83)
A. St. Pfau, Perfum. Record 18 (1927), 205.
84)
Y. Volmar u. O. Thurkauf , Journ. de Pharm. et Chim. VIII. 10 (1929), 199; Chem. Zentralbl. 1929, II. 3190.