Wasserdampfdestillation

Die Wasserdampfdestillation ist die Methode der Wahl zur Isolierung der ätherischen Öle. Im Prinzip nutzt diese Methode die Siedetemperatur zur Trennung von anderen Inhaltstoffen vom ätherischen Öl aus. Die bei der Wasserdampfdestillation gewonnenen ätherischen Öle können sich dabei in der Zusammensetzung von den durch die Extraktion gewonnenen Riechstoffe stark unterscheiden. Zum Beispiel kann bei der Wasserdampfdestillation eine Fermentation stattfinden, die die chemische Zusammentsetzung des ätherischen Öles verändert.

Die Wasserdampfdestillation ist eine schonende Methode zur Isolierung von Naturstoffen. Die Isolierung findet bei einer Temperatur unter 100°C statt und arbeitet bei Normaldrücken.

siehe auch: Geschichte der Wasserdampfdestillation

Die erste aus den Schriften des Altertums überkommene, allerdings wohl erst im Mittelalter bildlich dargestellte, sichere Angabe, die auf eine Art primitiver Destillation schließen lässt, ist die Erwähnung der Gewinnungsweise von Zedernöl, πισσέλαιον, in den Schriften des Herodot, Dioscorides und Plinius.1)

Es soll aus dem Harz durch Auskochen in Wasser in einem offenen, tönernen Kessel in der Weise gewonnen worden sein, dass über quer darüber gelegte Holzstäbe Schichten von Wolle ausgebreitet wurden, in welchen sich die aufsteigenden Dämpfe verdichteten. Die Wolle wurde von Zeit zu Zeit durch frische ersetzt und die gesättigte durch Ausdrücken mit den Händen ausgepresst, auch wurde das sich auf der Oberfläche des Wassers ansammelnde Öl abgehoben.

Seitdem entwickelte sich die Wasserdampfdestillation weiter, insbesondere auch im Mittelalter als die Destillation von Alkohol immer weiter verbreitet war. Insbesondere die Abkühlung des Wasserdampfs und das Anbrennen des Pflanzenmaterials sorgte oft für Schwierigkeiten. Mit dem Einzug in Apotheken begann die Professionalisierung, die durch die Eingliederung in die chemische Industrie vollendet wurde.

wasserkuehlung.jpg
Unterschiedliche Destillationsapparate aus dem Mittelalter. Dargestellt sind verschiedene Technicken zum Abkühlen des Wasserdampfs

Die Trennung erfolgt auf Grund der Siedetemperatur der ätherischen Öle. Diese haben mit 50-320°C eine mittlere Siedetemperatur.

Wichtig für diese Methode ist, dass die zu isolierenden Stoffe kaum oder nicht löslich sind in Wasser. Dies ist bei ätherischen Ölen gegeben. Bei in sich nicht löslichen Gemischen stellt sich ein Gesamtdampfdruck ein, der aus dem Dampfdruck der einzelnen Komponenten (den sogenannten Partialdrücken) zusammengesetzt ist. Der Dampfdruck kann durch eine Temperaturerhöhung erhöht werden.

Dampfdruck pgesamt = Partialdruck pWasser + Partialdruck pätherisches Öl

Ist der Dampfdruck höher als der Außendruck (normalerweise bei 1013 mbar) beginnt eine Flüssigkeit zu sieden. Bei in sich unlöslichen Gemischen erhöht sich dadurch also der Dampfdruck p, der sich aus den Partialdrücken pWasser und pätherisches Öl zusammensetzt. Dies führt zu einer Erniedrigung der Siedetemperatur. Die Siedetemperatur ist also immer unter 100°C und garantiert dadurch eine schonende Isolierung. Gerade bei hitzeempfindlichen Naturstoffen ist das wichtig.

Beim Sieden des Wassers trägt der Wasserdampf die Naturstoffe mit sich. Deswegen wird dabei auch von einer Trägerdestillation gesprochen. Beim Abkühlen trennt sich die wässrige Phase von den unlöslichen Naturstoffen und das ätherische Öle kann so gewonnen werden.

Prinzipieller Aufbau einer Wasserdampfdestillation

Zur Wasserdampfdestillation werden prinzipiell drei Module benötigt. Zum einen wird ein Wasserkessel benötigt, der Wasserdampf erzeugt. Der Wasserdampf wird durch das Pflanzenmaterial geleitet, aus dem das ätherische Öl extrahiert werden soll. Mit dem Wasserdampf wird das ätherische Öl mitgetragen. Im dritten Modul, dem Kühler, wird das Gemisch abgekühlt und im Destillat findet sich die zwei Phasen - das ätherische Öl und das Wasser.

Das ätherische Öl hat eine geringere Dichte als Wasser und kann so mit einem Scheidetrichter von der wässrigen Phase abgetrennt werden.

Der Anteil an ätherischen Ölen bewegt sich in den meisten Pflanzen im unteren einstelligen Prozentanteil. Das bedeutet, dass man pro Kilogramm Pflanzenmaterial oft nur wenige mL ätherisches Öl gewonnen werden kann.

Neben dem ätherischen Öl wird auch das sogenannte Hydrolat gewonnen. Bei der Destillation wird das ätherische Öl im Wasserdampf mitgenommen und beim abkühlen trennt es sich von der wässrigen Phase ab. Die wässrige Phase ist jedoch im Stande kleine Mengen an polaren Inhaltsstoffen, also zum Beispiel funktionalisierte Monoterpenoide zu lösen. Diese aromatisieren das Wasser. Dieses Wasser wird vorallem bei teuren Ausgangsmaterialien, wie zum Beispiel Rosenblättern, nicht verworfen, sondern als (Rosen-)Hydrolat für zum Beispiel Gesichtwässer verkauft.

Bei der Hydrodestillation wird das Pflanzenmaterial in das Wasser gegeben, welches anschließend erhitzt wird. Der entstehende Wasserdampf wird danach abgekühlt und im Kondensat trennt sich das ätherische Öl von der wässrigen Phase ab. Bei dieser Methode treten die gleichen physikalischen Effekte auf. Der Wasserdampf trägt das ätherische Öl mit sich. Im Unterschied zur Wasserdampfdestillation kommt jedoch das Pflanzenmaterial nicht mit dem Wasserdampf in Berührung sondern lediglich mit dem Wasser, welches zum Sieden erhitzt wird.

In einer Studie der Forscher*innen C. Boutekedjiret, F. Bentahar, R. Belabbes und J. M. Bessiere welche 2003 im „Flavour and Fragrance Journal“ veröffentlicht wurde, wird der Unterschied in der Zusammensetzung des ätherischen Öls des Rosmarins je nach Isolierungsart untersucht.2)

Die Hauptkomponenten varrieren je nach Isolierungsart:

Wasserdampfdestillation Hydrodestillation
1,8-Cineol 52.4 % 31.9 %
Campher 12.6 % 19.7 %
Borneol 3.4 % 12.1 %
α-Terpineol 2.1 % 12.8 %
Ausbeute 1.2 % 0.44 %

Die beiden ätherischen Öle tragen nach dieser Studie also die selben Hauptkomponenten in sich. Die Anteile dieser Komponenten sind jedoch aufgrund der unterschiedlichen Isolierung des ätherischen Öls verschieden. Auch die Ausbeute bei der Wasserdampfdestillation ist höher. Die Arbeitsgruppe untersuchte weiter den Einfluß der Extraktionszeit auf die Zusammensetzung und Ausbeute der ätherischen Öle. So erreicht die Wasserdampfdestillation schneller höhere Ausbeuten. Die Arbeitsgruppe schließt damit, dass die Methode der Wasserdampfdestillation wegen den genannten Gründen gegenüber der der Hydrodestillation überlegen ist.

Eine Wasserdampfdestillation kann schon im Kleinmaßstab im Labor innerhalb eines Tages gemacht werden. Es ist jedoch zu beachten, dass durch die geringen Ausbeuten oft nur wenige mL des Naturstoffes gewonnen werden können. Bei Großanlagen können dagegen an einem Tag mehrere Liter gewonnen werden. Bei einem Preis von ca. 10 € pro 10 mL können so am Tag Produkte hergestellt werden, die mehrere tausende Euro wert sind.

Im Labor benötigt man zwei Kolben, ein Steigrohr, ein Liebigkühler und ein Auffanggefäß. In einem Kolben wird das Pflanzenmaterial in Wasser vorgelegt und leicht erhitzt. Aus dem zweiten Kolben, der mit Wasser gefüllt ist, wird Wasserdampf eingeleitet. Über den das Steigrohr gelangt der Wasserdampf zum Liebigkühler und wird dort abgekühlt.

Destillationsanlage

In anderen Variante, der Hydrodestillation wird das Pflanzenmaterial in Wasser gekocht und der Dampf danach abgekühlt. Das abgekühlte Wasser, welches als Trägermaterial diente, wird in den Kolben zurückgeführt, sodass sich Naturstoffe die sich - wenn auch gering - in Wasser lösen, wieder der Ausgangslösung zurückgeführt werden.

Bei einer Großanlage werden pro Batch mehrere hundert Kilo an Pflanzenmaterial verarbeitet. Die Erzeugung des Wasserdampfs geschieht durch einen Dampfkessel. Der entstehende Wasserdampf wird durch einen Kessel mit dem Pflanzenmaterial geleitet. Hier muss darauf geachtet werden, dass das Pflanzenmaterial (oft getrocknet) dicht genug im Kessel gepackt ist, sodass der Wasserdampf nicht durch eine Lücke entweichen kann.

Auch hier wird das Wasser dann abgekühlt und die Naturstoffe gewonnen.

mod_dest1.jpg
Destillationsanlagen aus den 1930er Jahren
mod_dest2.jpg
Weitere Destillationsanlagen
rosenoel.jpg
Moderne Rosenöldestillation


1)
Herodoti Historiae. Lib. II, 85. - Dioscorides, De materia medica. Lib. I, 34, 39, 80. - Plinius, Historia naturalis. Lib. 15, cap. 6-7 und Lib. 16, cap. 22. E pice fit, quod pissinum appellant, quum coquitur, velleribus supra habitum ejus expansis, atque ita expressis …. color oleo fulvus.
2)
C. Boutekedjiret, F. Bentahar, R. Belabbes, J. M. Bessiere; Extraction of rosemary essential oil by steam distillation and hydrodistillation. Flavour and Fragrance Journal, 2003, 18, 481-484. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ffj.1226/abstract