Bergamottöl

Das Bergamottöl ist das ätherische Öl der Bergamottfrucht. Der Bergamottbaum, Citrus bergamia Risso, C. aurantium L. (C. vulgaris Risso), subspec. bergamia (Risso et Poiteau) Wight et Arn., wird wegen seiner Früchte, die allein der Ölgewinnung dienen, nahezu ausschließlich in Kalabrien kultiviert. Auf Sizilien gedeiht der Baum nicht.

Die in Kalabrien mit Bergamottbäumen bepflanzte Fläche beträgt 2500 ha. Auf 1 ha stehen ungefähr 400 Bäume, die unter günstigen Bedingungen 15 t Früchte im Jahre bringen. Die jährlich produzierte Menge Bergamottöl schwankt zwischen 150 000 und 200 000 kg.1) Man vermehrt die Bergamottbäume ausschließlich durch Pfropfen, und zwar werden die ersten Früchte 6 oder 7 Jahre danach erhalten. 12 ]ahre nach dem Pfropfen erreicht der Baum, der unter zahlreichen Schädlingen und Krankheiten zu leiden hat, seine volle Ertragsfähigkeit.2)

kartebergasmall.jpgKarte der Anbaugebiete für Citrusöle (Für eine hohe Qualität hier klicken)

Nach G. Rovesti3) sind die hauptsächlichsten Kulturzentren dieses Baumes folgende: An der jonischen Küste Agore, Bagaladi, Bianco, Bova, Bavalino, Brancaleone, Bruzzano, Condofuri, Ferruzzano, Fossato, Gerace, Gioiosa, jonica, Melito di Proto Salvo, Montebello, Motta S. Giovanni, Palizzi, Pcllaro, Siderno Marina, S. Lorenzo, Staiti S.Gregorio; an der tyrrhenischen Küste Calanna, Campo Calabro, Cannitello, Catona, Gallico, Gioia Tauro, Reggio, Salice Calabro, Villa S. Giovanni.

Die kugelrunde, regelmäßige Form der Bergamottfrucht lässt ihre maschinelle Bearbeitung zur Herstellung des ätherischen Öls besonders geeignet erscheinen. Es hat daher nicht an Vorschlägen für Apparate, die diesem Zweck dienen sollen, gefehlt. Seit längerer Zeit im Gebrauch ist eine als Gangerimaschine oder Macchina bezeichnete, primitive, von Hand oder auch durch Motorkraft betätigte Vorrichtung. Diese kann als Vorläufer für heutige moderne Maschinen angesehen werden.

bergamott1.jpgMacchina

bergamot.jpgCitrus bergamia aus Köhlers Medizinal Pflanzen

Der Holzrahmen A trägt ein um seine Horizontalachse drehbares Holzrad 6, an dessen innerer Flachseite 36 hölzerne Zapfen eingelassen sind. Diese greifen in ein auf einer Vertikalachse 3 befestiges Triebwerk 7 ein, das sich beim Antrieb des Rades 6 mit der dreifachen Umdrehungszahl in Drehung versetzen lässt. Die Achse 3 ist in ihren Führungen oben und unten vertikal verschiebbar. In dem unteren Teil trägt das Triebwerk auf einem Zylinder aus Zinkblech montiert eine Pressbacke 4, der gegenüber, in dem kastenartigen Unterteil B der Macchina eingebaut, eine ähnliche Pressbacke 5 angebracht ist. Letztere ist durchbrochen, um das abfließende Öl in ein darunter befindliches Gefäß gelangen zu lassen.

Die Arbeitsweise der Macchina ist folgende. Zunächst wird der um die Drehpunkte 9 und 10 bewegliche zweiarmige Hebel mittels der Sperre 2 nach unten gehalten, wodurch die beiden Pressbacken 4 und 5 voneinander entfernt werden. In den Zwischenraum gibt man die zu pressenden Früchte, macht den Hebel 1 durch Lösen der Sperre 2 frei, sodass die obere Pressbacke mit dem ganzen Gewicht des Triebwerks, der Achse 3 und ihrem Eigengewicht auf den Früchten lastet; die untere Backe ist fest. Dreht man nun das Rad 6, so geraten die zwischen den Presstellern befindlichen Früchte unter Druck in eine wälzende Bewegung; die entweder mit Spitzen oder mit Schneiden ausgerüsteten Flächen reißen die Schale der Früchte an und sprengen die Ölbehälter, deren Inhalt durch die Öffnungen der unteren Pressbacke in die darunter befindliche Schale abfließt. Man setzt das Drehen des Rades 6 so lange fort, bis eine durch Doppelzahn- und -Triebwerk 8 von der Achse aus betätigte Klingel ertönt, wobei das Übersetzungsverhältnis derart ist, dass zwischen zwei Glockenzeichen 36 Umdrehungen von Rad 6 oder 108 Umdrehungen der oberen Pressbacke liegen.

Als Pressteller verwendet man zwei Konstruktionen; entweder sind es flache, aus Zink gegossene, mit vierseitigen Spitzen bestandene Teller, deren unterer am Rande vier schmale Öffnungen für das abgepresste Öl besitzt, oder es sind gewölbte Teller aus Zinkguss, in deren Innenflächen unter einem bestimmten Winkel scharfe Messingschneiden eingelassen sind; der untere Teller ist mehrfach durchbrochen.

Mit Hilfe dieser Maschine werden in Kalabrien auch Zitronen gepresst. Das erhaltene Öl ist aber grün gefärbt und ist als Citronenöl nicht verkäuflich. Es soll größtenteils zum Fälschen von Bergamottöl benutzt werden.

Der Prozess für die Gewinnung des Bergamottöls mit der Gangerimaschine liefert neben der mit Wasser vermischten Essenz, nach Filtrieren durch lange Wollsäckchen (sacchotti), noch einen Filterrückstand (mollica oder feccia genannt). Diese Rückstände rühren davon her, dass kleinere Teile der Fruchtschalen durch die Pressteller der Maschine mit der Essenz in die Aufnahmebehälter abfließen. Aus diesem Filterrückstand erhält man durch Wasser oder Dampfdestillation das distillato di feccia mit einem Estergehalt von nur rund 5% im Durchschnitt, wohingegen der Estergehalt in diesem Produkt bedeutend reicher sein müsste. Der geringe Estergehalt rührt daher, daß das Linalylacetat beim Lagern der feccia, und noch mehr bei der Destillation, in Alkohol und Säure gespalten wird.

Die Menge des durch Destillation der feccia gewonnenen Öls beträgt schätzungsweise 3% des gepressten Öls.

Der Direktor der R. Stazione sperimentale per l'lndustria delle Essenze e dei Derivati dagli Agrumi in Reggio Calabria, A. Parrozzani, empfiehlt in seiner Schrift Über einige Versuche der weiteren Ausbeutung der mit der Gangeri-Maschine bereits auf Öl verarbeiteten Früchte und des im rohgepreßten Öle vorhandenen Filterrückstandes, das Öl aus der schon verarbeiteten Schale und auch aus den Filterrückständen nicht wie bisher durch Wasserdampfdestillation, sondern durch Extraktion mit Petrolether4) zu gewinnen. Abgesehen davon, dass das Öl, welches man durch die Extraktionsmethode erhält, einen hohen Estergehalt aufweist und normal löslich ist, sei es auch reich an harzigen und wachsartigen Bestandteilen, was für Parfümeriezwecke nur von Vorteil sein könne.

Aus den jungen, im Frühjahr abgefallenen Früchten wird ein minderwertiges Öl, das Nero di bergamotto durch Pressung gewonnen, während aus den unreifen, im Sommer abgefallenen Bergamottfrüchten (Bergamottelle) durch Destillation das Distillato di bergamottella erhalten wird.

Das letztere Produkt hat nur einen Estergehalt von etwa 5%, infolge der Verseifungsvorgänge (siehe auch Fermentation) während der Destillation (wie auch das Öl aus den Filterrückständen); dagegen könnte man bei der Anwendung der Extraktionsmethode nach sorgfältiger Zerkleinerung und Pressung der Früchte ein Öl mit einem Estergehalt von etwa 20 bis 25%, das ungefähr dem Nero di bergamotto entspricht, gewinnen.

Bergamottöl

Bergamottöl ist eine braungelbe oder honigfarbene, häufig durch einen Gehalt an Kupfer5) oder durch Chlorophyll grün gefärbte Flüssigkeit von bitterlichem Geschmack und sehr angenehmem Geruch.

Analytische Eigenschaften
d15° 0.881 bis 0.886, in ganz vereinzelten Fällen bis 0.888
αD +8 bis +22; an einzelnen Ölen sind Drehungen bis herab zu +5.24 und hinauf bis zu +24 beobachtet worden;6)
nD20° 1.464 bis 1.468
S.Z. 1 bis 3.57)

Der Gehalt an Linalylacetat, der für den Wert des Öls bestimmend ist, beträgt in der Regel 34 bis 40%, selten bis 45%; bisweilen, besonders beim Beginn der Ernte, wenn noch nicht ganz reife Früchte verarbeitet werden, kommen Öle mit niedrigerem (bis 30%) Estergehalt vor; mit zunehmender Reife steigt der Estergehalt.8) Die Differenz zwischen Verseifungszahl und Säurezahl II beträgt bis etwa 10, die Differenz der Esterzahlen bei der fraktionierten Verseifung etwa 5.

Von 90%igem Alkohol ist zur Lösung bis 1 Vol. erforderlich. Bei weiterem Alkoholzusatz bleibt die Lösung in den meisten Fällen klar und nur selten zeigt sich eine geringfügige Trübung. Manche Öle lösen sich in 1 bis 2 Vol. 80%igen Alkohols, die Lösung trübt sich aber gewöhnlich bei weiterem Alkoholzusatz.9)

Der Abdampfrückstand beträgt in der Regel 4.5 bis 6%, er sinkt indessen manchmal bis 4% und steigt vereinzelt bis 6,6%. S. Z. des Abdampfrückstandes 19 bis 30; E. Z. (nach erstmaliger Entfärbung!) 117 bis 173.

Von Interesse dürfte sein, dass zwei Bergamottöle, die von Ischia und aus der Umgebung von Palermo stammten, also aus Gegenden, in denen diese Öle sonst noch niemals gewonnen worden sind, keine Abweichungen von den normalen Eigenschaften aufwiesen. Ein von D. B. Dorronsoro10) untersuchtes spanisches, aus Sevilla stammendes Bergamottöl zeigte ebenfalls ähnliche Kenngrößen.

Ischia11) Palermo12) Sevilla13)
d15° 0.88280.8829 0.8812
αD +13°+15.2°+16.36
S.Z. 1.8 1.53.77
E. Z. 96.4100.7105.47
Linalylacetat 33.7%35.2%36.92%
Abdampfrückstand5.2%5.8%5.40%

Rektifiziertes Bergamottöl ist farblos und hat ein niedrigeres spez. Gewicht (0.865 bis 0.875) sowie ein etwas höheres Drehungsvermögen als das ursprüngliche Öl. Das rektifizierte Öl ist in der Regel minderwertig, weil bei der Wasserdampfdestillation stets ein Teil des Esters zersetzt wird.

Dem Bergamottöl werden manchmal Öle beigemischt, die aus unreifen von den Bäumen gefallenen oder durch Sturm abgeschlagenen Früchten gepresst worden sind. Derartige Öle sind von G.H. Ogston und Moore14) untersucht. Ihr spez. Gewicht betrug 0.8789 bis 0.8833; αD +7 bis +18.6° und der Estergehalt 26.7 bis 33.5%.

Als Nero di bergamotto , Essence of black bergamot wird ein Öl bezeichnet, das nach Ogston und Moore15) aus den Fruchtschalen einer nicht reifenden Bastardfrucht, nach Berte und Romeo16) aus unreifen Abfallfrüchten (Bergamottella) gepresst wird und gelegentlich als Verfälschungsmittel des Bergamottöls Verwendung findet. Es ist dunkelfarbig und besitzt ein ziemlich hohes spezifisches Gewicht (0.890 bis 0.898) und niedrigen Estergehalt, der von 20 bis 35% schwankt.

Aus dem Bodensatz, Feccie di bergamotto17), den Filterrückständen oder den bereits ausgepressten Schalen gewinnt man hin und wieder noch etwas Öl durch Destillation, das ebenfalls dem Bergamottöl zugesetzt wird. Es ist farblos bis gelblich; d15° um 0.865; αD (bei einem Muster bestimmt) +24.39°; Estergehalt 3 bis 6%.

Von dem aus Bodensatz, wie auch aus den Filterrückständen und den ausgepreßten Schalen, durch Destillation erhaltenen Öl unterscheidet man nach G. Romeo18) je nach der Herkunft 2 Sorten: Distillato di bergamottella (von kleinen Früchten stammend) und distillato di bergamotto (von reiferen Früchten stammend). Ein Muster von letzterem hatte die Konstanten: d15° 0.861 bis 0.865, αD15° + 10 bis +30°, löslich in 1 Vol. 75- oder 80 %igen Alkohols. Das Destillat di bergamottella hingegen hatte eine höhere Dichte, d15° 0.865 bis 0.870, ein viel geringeres Drehungsvermögen (α gegen 0°) und eine größere Löslichkeit in Alkohol (löslich in 2 bis 3 Vol. 70%igen Alkohols). Der Estergehalt war in beiden Ölen gering (3 bis 6%). Der Geruch der Öle war leicht empyreumatisch und erinnerte gar nicht an Bergamotten. Häufig verwendet man das Destillat di bergamottella, um die Löslichkeit verfälschter Neroli- oder Petitgrainöle zu erhöhen, während man das Destillat di bergamotto dem Bergamottöl zusetzt.

Die Eigenschaften des terpenfreien Bergamottöls sind nach G. Romeo: d15° 0.890 bis 0.898, αD20° –3° bis –10°, löslich in 2 Vol. 70%igen Alkohols, Estergehalt (als Linalylacetat berechnet) 60 bis 70%.

Die Destillation des Öls aus Bergamottblättern wird nach S. Gulli19) nur in beschränktem Umfange betrieben, und zwar erfolgt sie in der Zeit vom Februar bis zum April, wenn die Bäume ausgeputzt und beschnitten werden; die Ausbeute ist auch nur gering (100 kg Blätter geben nur 150 bis 350 g20) Öl), und die ganze Jahresproduktion soll sich auf nicht mehr als 20 bis 25 kg belaufen. Ein von Gulli untersuchtes Öl hatte ein spezifisches Gewicht von etwa 0.870 bis 0.873, ein optisches Drehungsvermögen von +25 bis +26° und war im gleichen Volumen 90%igen Alkohols löslich; es enthielt ungefähr 32 bis 34% Ester, berechnet als Linalylacetat, daneben aber auch noch Anthranilsäuremethylester.

Ganz andere Eigenschaften hatte ein Öl, das U. Giuffré21) aus Blättern und jungen Zweigen von Bergamotten, die in der Umgebung von Reggio auf Pomeranzenbäume gepfropft waren (Petitgrain bergamia), durch Wasserdampfdestillation erhalten hatte. Ein hellgelbes, leicht opalisierendes, scharf und stechend riechendes Öl, das im großen und ganzen etwas dem Petitgrainöl ähnelte und in alkoholischer Lösung den Geruch von Orangenblüten zeigte. Es besaß folgende Konstanten: d15° 0.8915, αD15° -2.30°, nD20° 1.4603, Estergehalt (als Linalylacetat berechnet) 58.39%, Aldehydgehalt (als Citral berechnet, Methode von Romeo) 2.21%, fester Rückstand 1.70%, löslich in 2 Vol. 70%igen Alkohols.

Die Konstanten eines in Kalabrien aus Blättern und Zweigen hergestellten Öls waren nach M. A. Albricci22) folgende: d15° 0.8991 , αD -5°, V.Z. 199.73, E.Z. nach Actlg. 213.69, Citralgehalt 2.10%, löslich in 3 Vol. 70%igen Alkohols.

Man trifft das Öl selten rein an. Häufig werden die Bergamottblätter nach Zusatz von Terpentinöl destilliert, und noch öfter werden in die Blase Blätter und junge Pflanzen der bitteren Orange getan, auch sollen ausgiebig Schalenöle zur Verfälschung herangezogen werden. Das Öl wird aber nicht nur selbst verfälscht, sondern es wird auch zur Verfälschung von Petitgrain-, bitterm und süßem Orangenblütenöl benutzt.

Hauptinhaltsstoffe des Bergamottöls

Auf das Vorkommen verschiedener Terpene im Bergamottöl wurde schon im Jahre 1840 von E. Soubeiran und H. Capitaine23) hingewiesen. O. Wallach24) zeigte 1884, dass in der von 175 bis 180°C siedenden Fraktion Limonen (d-Limonen) enthalten ist.

Die Kenntnis der für den Geruch wichtigen Bestandteile des Bergamottöls verdanken wir zwei fast gleichzeitig veröffentlichten Untersuchungen von Semmler und Tiemann25) sowie von J. Bertram und H. Walbaum26). Durch diese Arbeiten wurde dargetan, dass der Hauptträger des Bergamottgeruchs der Essigester (Analyse des Ag-salzes) des (R)-(–)-Linalool (Oxidation zu Citral) oder das (R)-Linalylacetat ist.

Daneben spielt das ebenfalls im Öl enthaltene freie (R)-(–)-Linalool eine gewisse Rolle bei der Geruchsentwicklung, an der vielleicht auch geringe Mengen bisher noch nicht isolierter Körper mitbeteiligt sind.

Drei weitere Alkohole sind nach F. Elze27) im Bergamottöl enthalten. Er untersuchte eine Fraktion, die bei der fabrikmäßigen Darstellung von terpenfreiem Bergamottöl in einer Ausbeute von 25% erhalten war und nach der Verseifung, Destillation mit Wasserdampf und Fraktionierung ein Öl von folgenden Eigenschaften darstellte: d15° 0.890, α –10° (im 100 mm-Rohr). Das Öl wurde mit Phthalsäureanhydrid behandelt, und es gelang auf diese Weise, eine kleine Menge eines Alkohols zu gewinnen, der sich als Dihydrocuminalkohol (Smp. des Naphthylurethans 146 bis 147°) erwies und nach der Oxidation mit Beckmannscher Chromsäuremischung einen cuminartig riechenden Aldehyd vom Sdp. 235°C lieferte, der, aus dem Semicarbazon (Smp. 198 bis 199°C) regeneriert, d15° 0.970 und α –39° zeigte. Dihydrocuminalkohol ist heute als Perillaalkohol bekannt und wurde auch in Bergamottöl nachgewiesen.28) Die Hauptmenge des Alkoholgemisches bestand aus Nerol (d15 0.880), das durch das Tetrabromid vom Smp. 118°C und das Diphenylurethan vom Smp. 50° näher gekennzeichnet wurde.

In den mit Phthalsäureanhydrid nicht reagierenden Anteilen wies Elze Terpineol vom Smp. 35°C (Smp. des Phenylurethans 110°C) nach. Diese Beobachtung ist sehr wichtig, da man in letzter Zeit gefunden hat, dass das Bergamottöl gelegentlich mit Terpinylacetat verfälscht wird.29)

Ganz geruchlos ist das im Öl bis zu 5% enthaltene Bergapten. Über diesen Körper sind eine ganze Reihe von Arbeiten ausgeführt worden. Bergapten, C12H8O4, stellt nach Pomeranz30) zarte, weiße, seidenglänzende, geschmacklose Nadeln dar, die bei gewöhnlicher Temperatur geruchlos sind, beim Erhitzen jedoch aromatisch riechende Dämpfe entwickeln und bei 188°C schmelzen.

Einige weitere Bestandteile sind von H. E. Burgess und T. H. Page31) in einem Bergamottöl aufgefunden worden. Obwohl die Autoren versichern, dass sie ein unverfälschtes Öl in Händen gehabt haben, so geht dessen Reinheit aus den angegebenen Konstanten (d15° 0.885; [α]D +8°; nD20° 1.4648; Estergehalt nicht angegeben) durchaus nicht hervor. Es müsste deshalb die Untersuchung an einem ganz einwandfreien Material wiederholt werden, ehe die gefundenen Körper, Octylen, Pinen, Camphen und Bisabolen, endgültig als Bestandteile des Bergamottöls anzusehen sind. Sowohl Pinen als auch Camphen und Bisabolen konnten in neueren Untersuchungen in Bergamottöl gefunden werden.

In den ersten Fraktionen wurde Essigsäure (Analyse des Ba-Salzes) nachgewiesen. Das Vorhandensein freier Essigsäure bedurfte eigentlich kaum noch besonderer Bestätigung, da es eine bekannte Tatsache ist, dass in den ätherischen Ölen die an Alkohole gebundenen Säuren auch in geringer Menge im freien Zustand vorkommen. Außerdem aber haben Burgess und Page den Beweis für das Vorhandensein freier Essigsäure im Bergamottöl überhaupt nicht erbracht, da sie die Essigsäure durch Fraktionieren des Öls angereichert haben, wobei die Säure, wie sie selbst ganz richtig vermuten, lediglich durch Zersetzung des Linalylacetats entstanden ist.

Die niedrigst siedenden (150 bis 155°C) Anteile des Öls hatten ein sehr niedriges spezifisches Gewicht und geringe Brechung, weshalb auf die Anwesenheit eines olefinischen Kohlenwasserstoffs Octylen geschlossen wurde. Die Gegenwart von Octylen haben Burgess und Page damit zu begründen versucht, dass der Geruch der betreffenden Fraktion an ein von ihnen im Citronenöl aufgefundenes Octylen erinnert, und dass bei der Oxidation mit Kaliumpermanganat Buttersäure (nur durch den Geruch nachgewiesen) erhalten wurde.

Linksdrehendes ([α]D –8.3°) α-Pinen und linksdrehendes ([α]D –22,8°) Camphen konnten in den zwischen 157 und 158°C bzw. 164 und 165°C siedenden Fraktionen nachgewiesen werden; ersteres wurde durch das Hydrochlorid (Smp. 125°), letzteres durch Überführung in Isoborneol (Smp. 203°) identifiziert. Die höher siedenden Anteile des Bergamottöls enthielten Bisabolen (Limen), C15H24 (Chlorhydrat, Smp. 79°C).

Über die Bildung und Umwandlung der einzelnen Bestandteile des Bergamottöls in der Pflanze sind von E. Charabot32) Versuche angestellt worden. Hierzu wurden die Öle aus Früchten herangezogen, die sich in verschiedenen Entwicklungsstufen befanden, und zwar wurden zwei Öle untersucht, von denen das eine aus unreifen, aber sonst vollständig entwickelten, das andre aus reifen Früchten derselben Bäume gewonnen war. Das Resultat war folgendes:

Öl aus unreifen Früchten Öl aus reifen Früchten
d14° 0.882 0.883
αD + 14.38° +20.30°
Freie Säuren33) 0.289% 0.283%
Linalylacetat 33.8% 37.3%
Freies Linalool34) 13.9% 5.9%
Gesamt-Linalool 40.5%35.5%

Aus diesen Daten geht hervor, dass sich der Estergehalt des Öls während des Reifens der Früchte vermehrt hat, dagegen ist die Menge des freien Linalools und des Gesamt-Linalools zurückgegangen. Diese Beobachtung stimmt mit den Erfahrungen der Praxis überein, denn es war den Bergamottölfabrikanten seit langem bekannt, dass das Öl aus reifen Früchten besser und esterreicher ist, als das zu Beginn der Ernte aus noch nicht völlig reifem Material erhaltene.

Um den Terpengehalt beider Öle zu ermitteln, wurden sie verseift und als dann fraktioniert. Dabei wurden erhalten:

Aus 160 mL des Öls der unreifen Früchte:

93 mL vom Sdp. 177 bis 183°C; αD +34.10°; d 0.887

36 mL vom Sdp. 183 bis 200°C; αD +2.14°; d -

Aus 160 mL des Öls der reifen Früchte:

105 mL vom Sdp. 177 bis 183°C; αD +34°; d 0.885

30 mL vom Sdp. 183 bis 200°C; αD +4°; d -

Der Terpengehalt des Bergamottöls hatte sich also beim Reifen der Früchte vermehrt.

In aktuelleren Untersuchungen wurden folgende Inhaltsstoffe des ätherischen Öls festgestellt, die im Großteil die Befunde der Forscher*innen aus dem frühen 20. Jahrhundert bestätigen.

Kommerzielles Öl35) Vakuumdestillation36) Kaltpressung37)
Limonen 38.4% 46.3%32.5%
Linalylacetat 27.2%26.3%31.0%
γ-Terpinen 9.2%6.0%5.5%
Linalool8.4%7.8%14.4%
β-Pinen7.0%5.5%5.2%
α-Pinen1.5%1.2%1.0%
Sabinen1.4%0.9%0.9%
Myrcen1.2%1.5%1.1%
Bergapten0.2%
5,7-Dimethoxycumarin0.8%
CamphenSpuren 0.03% 0.02%
Bisabolen0.7% 0.3% 0.5%

Die Feststellung der Reinheit des Bergamottöls war früher nicht schwierig, weil die damals gebräuchlichen Fälschungsmittel die physikalischen Konstanten stark veränderten. Da das spez. Gewicht reiner Öle sich innerhalb der verhältnismäßig engen Grenzen von 0.881 bis 0.886 bewegt, so hatten Zusätze von Terpentinöl, Citronenöl, Pomeranzenöl sowie von destilliertem Bergamottöl eine Verminderung der Dichte, solche von fettem Öl, Cedernholzöl oder Gurjunbalsamöl deren Erhöhung zur Folge. Ein Teil dieser Fälschungsmittel veränderte auch den bei reinen Ölen zwischen +8 und +20° liegenden Drehungswinkel.

Trotz richtiger Drehung konnte ein Öl verfälscht sein, wenn durch geeignete Auswahl der Zusätze, beispielsweise von Terpentinöl mit Citronen- oder Pomeranzenöl, die normalen Grenzen innegehalten wurden. Um derartige Gemische nachzuweisen, lassen G. Romeo und G. Moricca38) von 30 mL Bergamottöl je 5 mL abdestillieren und die Drehungen der ersten beiden Fraktionen bestimmen. Bei reinen Ölen ist die Drehung der ersten Fraktion größer als die der zweiten, bei verfälschten ist das umgekehrte der Fall.

Die Löslichkeitsbestimmung mit 90%igem Alkohol gibt beim Bergamottöl nur geringe Garantien, da durch sie nur grobe Verfälschungen erkannt werden. In 80%igem Alkohol ist, wie schon erwähnt, nur ein Teil der reinen Bergamottöle löslich. Löst sich ein Bergamottöl in diesem Lösungsmittel klar auf, so ist es frei von fettem Öl, Terpentinöl und Pomeranzenschalenöl. Löst es sich jedoch nicht, so kann dies entweder durch ein Verfälschungsmittel, z.B. fettes Öl, oder aber durch Vorhandensein reichlicher Mengen von Bergapten oder wachsartigen Bestandteilen verursacht werden.

Der Nachweis von fettem Öl und von schwerflüchtigen Zusätzen geschieht durch Wägen des beim Verdunsten des Öls bei 100°C verbleibenden Rückstandes, der bei normalem Öl 4.5 bis 6% beträgt.

Zur Ausführung der Bestimmung wägt man ungefähr 5 g Öl (auf 0.1 g genau gewogen) in einem Glas-, Porzellan- oder besser Metallschälchen ab und erwärmt auf dem Wasserbade, bis das Gewicht konstant geworden ist, und bis das Zurückbleibende jeden Geruch nach Bergamottöl verloren hat, was nach etwa 4 bis 5 Stunden der Fall ist. Nach dem Erkalten wägt man das vorher tarierte Schälchen mit dem Rückstande. Beträgt dieser mehr als 6% des angewandten Öls, so ist ein ungehöriger Zusatz vorhanden. Bei den mit Terpentinöl, Pomeranzenöl oder destilliertem Bergamottöl verfälschten Ölen wird der Rückstand unter Umständen erheblich weniger als 4.5 oder selbst 4% ausmachen.

Um einen höheren Gehalt an Linalylacetat vorzutäuschen, wird das Bergamottöl außerordentlich häufig mit verschiedenen künstlichen Estern versetzt, auf deren Anwesenheit man daher sorgfältig prüfen muss. Es handelt sich hauptsächlich um Terpinyl- und Glycerinacetat und um die Ethyl- oder Methylester der Oxalsäure, Bernsteinsäure, Citronensäure, Laurinsäure und Phthalsäure. Auch der Zusatz von freien Säuren, wie Benzoesäure und Salicylsäure, ist beobachtet worden.

Zahlreich sind die Fälle, in denen in den letzten Jahren Verfälschungen des Bergamottöls nachgewiesen wurden. Es wird darüber in folgenden Schimmelschen Berichten berichtet: April 1915, 19 (Phthalsäureester und Glycerinacetat); 1916, 26 (Glycerinester); 1917, 18 (Citronenöl, fettes Öl, Linalylacetat); 1918, 22 (Anthranilsäureester); 1919, 22 (fremde Ester, Terpene); 1931, 19 (Terpinylacetat, Glycerinacetat, Anthranilsäureester); 1923, 39 (Terpinylacetat); 1926, 34, 45 (Petitgrainöl, Citronenölterpene, Laurinsäureester, Glycerinacetat, Terpinylacetat); 1927, 41 (Fettsäureester, Terpene); 1929, 39 (Terpinylacetat, Glycerinacetat, fettes Öl, Anthranilsäureester).

Dieser Text basiert auf Eduard Gildemeisters (1860-1938) und Friedrich Hoffmanns Buch „Die ätherischen Öle“ 3. Auflage, 1928, Verlag der Schimmel & Co. Aktiengesellschaft. Das Buch ist in 3 Bänden erschienen.

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1)
Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 1930. Aktuellere Zahlen konnten nicht gefunden werden, die Anbaufläche jedoch hat sich durch die spezifischen Klimabedingungen, die benötigt werden kaum verändert.
2)
A. P. Cruger, Department of Commerce, Washington. World trade notes on chemicals and allied produets 1 (1927), Nr. 19, S. 7.
3)
Rivist. ital. delle ess. e dei prof. 11 (1929), 215.
4)
Zu demselben Zweck ist bereits früher von G. Romeo die Verwendung von Di-, Tri- oder Tetrachlorethylen vorgeschlagen worden. Siehe Rivista ital. delle ess. e dei prof. 6 (1924), 1.
5)
Bericht von Schimmel & Co. April 1889, 16.
6)
Bericht von Schimmel & Co. April 1910, 51.
7) , 11)
Bericht von Schimmel & Co. April 1908, 35.
8)
Da nach A. Bornträger (Zeitschr. f. anal. Chem. 35 [1896], 35; Chem. Zentralbl. 1890, I. 514) der Verdampfungsrückstand bei der Verseifung Zahlen ergibt, die einem Gehalt bis 2 % Linalylacetat entsprechen, so müsste man genau genommen, diese Zahl von dem gefundenen Resultat abziehen. Man sieht jedoch davon ab, weil sonst die Methode nur unnötig verwickelt würde.
9)
Bericht von Schimmel & Co. April 1909, 42, Anm. 2.
10) , 13)
Memorias de la Real Academia de Ciencias exactas, fisicas y naturales de Madrid 29, 1919.
12)
Bericht von Schimmel & Co. April 1910, 49.
14) , 15)
Chemist and Druggist 60 (1902), 154.
16) , 17)
E.Bertè u. G. Romeo, Annali del laboratorio chimico della camera di commercio ed arti della provincia di Messina. Messina 1908; Bericht von Schimmel & Co. April 1909, 42.
18)
Rivist. ital. delle ess. e dei prof. 6 (1924), 1.
19)
Chemist and Druggist 60 (1902), 995.
20) , 21)
Rivist. ital. delle ess. e dei prof. 6 (1924), 25.
22)
Parfüm. moderne 10 (1926), 252; Chem. Zentralbl. 1927, I. 655.
23)
Liebigs Annalen 35 (1840), 313.
24)
Liebigs Annalen 227 (1884), 290.
25)
Berl. Berichte 25 (1892), 1182.
26)
Journ. f. prakt. Chem. II. 45 (1892), 602.
27)
Chem.-Ztg. 34 (1910), 538.
28)
L. Yeruva et al.; Cancer letters 2007,216-226.
29)
Bericht von Schimmel & Co. April 1910, 49.
30)
Monatsh. f. Chem. 12 (1891), 379 und 14 (1893), 28.
31)
Journ. chem. Soc. 85 (1904), 1327.
32)
Compt. rend. 129 (1899), 728.
33)
als Essigsäure berechnet
34)
Dass man Linalool annähernd richtig in dem mit Xylol verdünnten Öl bestimmen kann, war damals noch nicht bekannt. Das freie Linalool wurde aus der Differenz zwischen dem Estergehalt des ursprünglichen und des acetylierten Öls bestimmt. Es wurde stets unter gleichen Versuchsbedingungen gearbeitet, sodass die Ergebnisse unter sich vergleichbar sind.
35)
S. Cosimi et al., Journal of Stored Products Research 2009, 45, 125–132.
36) , 37)
E. Belsito et al., J. Agric. Food Chem. 2007, 55, 7847-7851.
38)
Sull' analisi della essenza di bergamotto. Messina 1905; Bericht von Schimmel & Co. Oktober 1905, 22.