Orangenöl
auch Orangenschalenöl, süßes Orangenöl, Apfelsinenöl, Pomeranzenschalenöl, Oleum Aurantii Dulcis, Essence d'Orange Portugal oder Oil of Sweet Orange
Als Orangenöl bezeichnet man das ätherische Öl der Orange das aus der Schale der Orangenfrucht gewonnen wird. Es besteht zum größten Teil (>90%) aus Limonen und enthält darüber hinaus noch weitere Terpene wie zum Beispiel Myrcen und Linalool.
Die Stammpflanze des süßen Orangen- oder Apfelsinenbaums ist Citrus x sinensis L. oder Citrus aurantium L. subspec. sinensis (Gall.).
Historische Gewinnung
Oranger de Majorque aus Histoire Et Culture Des Orangers von A. Risso und A. Poiteau Herstellung von Orangenöl
Während Ende des 19. Jahrunderts das Orangenöl fast ausschließlich in Sizilien und Kalabrien, und zwar durch Handpressung hergestellt wurde, sind Anfang des 20. Jahrhunderts beachtungswerte Konkurrenten, besonders in Nordamerika und Westindien, und in geringerem Maße auch in Spanien entstanden.
In Kalifornien und Florida bediente man sich zur Ölgewinnung der von S. C. Hood1) beschriebenen Maschine oder man wendete auch die Extraktion mit flüchtigen Lösungsmitteln an.
Auf Jamaica wurde das Öl in der Hauptsache nach dem Ecuelle-Verfahren von Frauen und Kindern gewonnen. 2) Der hierfür erforderliche Apparat bestand im wesentlichen aus einer kupfernen, mit kleinen Löchern und Erhebungen versehenen Scheibe, auf der man die noch nicht ganz reifen Orangen mit der Handfläche leicht hin und her rollte. Dabei wurden die Ölzellen zerrissen, und das austretende Öl floss durch die Löcher in ein unter der Scheibe angebrachtes trichterförmiges Gefäß. War dieses voll, dann goss man das Öl durch ein Tuch in Flaschen und lies Saft und Schleimstoffe absitzen. Das Öl wurde hierauf sorgfältig abgezogen und, wenn nötig, filtriert. Man gewann es in den frühen Morgenstunden auf den Wiesen und Abhängen, wo die Orangenbäume vereinzelt standen. Etwa 500 Orangen ergaben ungefähr 510g Rohöl oder 450g filtriertes Öl. Die Gewinnung dauerte bei dieser Menge mit einem Apparat etwa 8 Stunden. Die weitaus größte Menge des von dort ausgeführten Orangenöls war süßes. In geringen Mengen wurde auch Bitterorangenöl verschifft.
In Spanien3) wurde die reife Frucht zur Ölgewinnung so lange an einem rotierenden Stahlkonus, der kleine Vorsprünge hat, drehend hin und her bewegt, bis die äußere Fruchtschale völlig abgerieben war. Während dieser Operation fiel die ölhaltige Schicht als Mehl in hölzerne Kästen. Dann wurde es in Beuteln aus Kamelhaar zwischen Stahlplatten in einer hydraulischen Presse ausgepresst.
Was die Ölausbeute anbetrifft, so geben in Italien 70000 Orangen 100 32 kg Öl.4)
Nach den Untersuchungen von S. C. Hood5) erhält man in Florida von 45 kg Abfall-Orangen (Cull fruits) im Durchschnitt 115-140g Öl.
Eigenschaften
Orangenöl ist eine gelbe bis gelbbraune Flüssigkeit von charakteristischem Orangengeruch und mildem, aromatischem, nicht bitterem Geschmack. Die Farbe der spanischen Öle ist infolge der Gewinnung mit Hilfe von hydraulischen Pressen viel dunkler als die der italienischen Öle, wie denn überhaupt wegen der verschiedenen Darstellungsarten die Eigenschaften zum Teil von einander abweichen.
Physikalische Eigenschaften
Rektifiziertes Öl ist farblos; sein spezifisches Gewicht ist etwas niedriger, die Drehung um ein Geringes höher als bei dem ursprünglichen Öl. Das rektifizierte Orangenöl ist sehr wenig haltbar, es verdirbt schnell und nimmt dabei einen faden und kratzigen Geruch an.
Italien | Orangenölterpene | Spanien6) | Kalifornien7) 8) | Jamaica | Dominica | Paraguay9) | Peru | Hawaii10) | Japan | |
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d15° | 0.848-0.853 | 0.847-0.854 | 0.8490-0.8592 | 0.8494-0.8581 | 0.8481-0.8498 | 0.8486 | 0.8484 | 0.8488-0.8494 | 0.8515 | 0.8551-0.8572 |
αD20° | + 95.3-99° | +95.5-100.2° | +90-98.4° | +96.5-98.5° | +97-98° | +98.2° | +97.5° | +97.3-98.1° | +96.6° | +88.1°-91° |
αD20°11) | gleich wie urspr. Öl | – | höher (bis 9°) | +99.2°-99.6° | +96.3-98.1° | +97.4° | +98.2° | +98.1° | +98.3° | +92.6-93.2° |
nD20° | 1.473-1.475 | 1.473 | 1.47240-1.47495 | 1.4693 | 1.46984-1.47299 | – | – | 1.47289-1.47319 | 1.47309 | 1.47573-1.47583 |
Löslichkeit in 90%igen Alkohol | 7-8 Vol. | 8-9.5 Vol. | – | 8 Vol. | – | – | – | – | – | – |
Löslichkeit in 95%igen Alkohol | 1.5 Vol. | – | – | – | – | – | – | – | – | – |
Abdampfrückstand | 1.5-4.2% | – | 2-11% | 2.2-3.8% | 1.4-3.1% | 1.6% | 0.5% | 1.8-2.3% | 2.6% | 4.9-6.2% |
S.Z.12) | 11-28 | – | – | – | 28.0 | – | – | |||
E.Z.13) | 118-157 | – | – | – | 128.6 | – | – |
Eine Anzahl terpenfreier Orangenöle, die E. Berte14) untersuchte, hatten folgende Konstanten: d15° 0.8831 bis 0.9000, αD15° +31° bis +42.2°, löslich in 75 und 80 %igem Alkohol, Aldehydgehalt (wie Citral bestimmt, die Methode wird nicht angegeben) 25.34 bis 43.35%, Estergehalt (als Linalylacetat bestimmt) 14.80%.
Zwei andere süße terpenfreie Pomeranzenschalenöle mit den Konstanten d 0.8988 und 0.8956, α +22.35° und +18.15°, Citralgehalt 37.90% und 38.25%, waren nach Ansicht des Autors vermutlich mit terpenfreiem Citronenöl verfälscht.
Nach G. Romeo15) haben konzentrierte Orangenöle folgende Konstanten: d15° 0.886 bis 0.900, αD15° +20 bis +35°, löslich in 2 bis 4 Vol. 70 bis 75%igen oder 80%igen Alkohols. Aldehydgehalt 30 bis 40% (als Citral nach der Sulfitmethode von Romeo bestimmt).
Zusammensetzung
Historische Untersuchungen
Orangenöl besteht, wie Wallach16) nachgewiesen hat, zu mindestens 90% aus d-Limonen (Dichlorhydrat, Smp. 50°C17); Tetrabromid, Smp. 104 bis 105°C). Die Abwesenheit von Pinen ist für den Nachweis von Verfälschungen mit Terpentinöl von Wichtigkeit.
Auf Grund seiner Reduktionsversuche schließt R. Escourrou18), dass das Rohlimonen aus Orangenöl zu annähernd 80% aus Limonen, 12% Terpinolen und zu 8% wahrscheinlich aus α-Terpinen besteht.
Er suchte Limonen ([α]D14°+116.1°) aus Orangenöl bei 20 mm Druck (Temperatur wird nicht angegeben) mit Wasserstoff und Nickel als Katalysator zu reduzieren. Mit Hilfe der Bromzahl und durch Beobachtung der Drehung wurde festgestellt, daß die Wasserstoffanlagerung zunächst an der doppelten Bindung der Seitenkette (also der Regel entsprechend) erfolgte. Nachdem etwa 10% des Limonens reduziert waren, hörte die Reaktion auf und konnte erst bei einer Erhöhung des Druckes auf 150 bis 200 mm fortgeführt werden. Dieses Verhalten wies auf die Gegenwart einer isomeren Verbindung oder einer Verunreinigung hin. Die Behandlung des (nicht reduzierten) Limonens mit Ozon führte zu Zersetzungsprodukten (Ameisensäure und Aceton), durch deren Bestimmung annähernd die Zusammensetzung des Limonens aus Orangen (80% Limonen, 12% Terpinolen und 8% wahrscheinlich α-Terpinen) ermittelt werden konnte. Aus der Untersuchung des zu 10% reduzierten Limonens folgte, dass nicht, wie man hätte vermuten können, Terpinolen, sondern das reine Limonen reduziert worden war. Auf Grund dieser Ergebnisse folgerte Escourrou, dass die Drehung eines völlig reinen Limonens, dessen Darstellung aber bisher noch nicht gelang, mehr als 130° betragen müsse.
Unsere Kenntnis der sauerstoffhaltigen Bestandteile verdanken wir hauptsächlich einer Untersuchung von K.Stephan19), dem hierzu 42 kg Öl zur Verfügung standen, woraus er durch Fraktionieren 530 g terpenfreie Anteile gewann. Mit Hilfe von Bisulfit isolierte er aus diesen ein Öl, das bei 93 bis 94°C (12 mm) vollkommen einheitlich siedete, und das durch Elementaranalyse, Oxidation zu n-Caprinsäure sowie die bei 237°C schmelzende Maphthocinchoninsäure als Decanal erkannt wurde. Andere Aldehyde waren nicht zugegen. Zwar hat F.W. Semmler20) im Jahr 1891 Citral im Orangenöl nachgewiesen; das von ihm untersuchte Öl ist aber sicher mit Citronenöl verfälscht gewesen, eine Annahme, die wohl berechtigt ist, da die Untersuchung aus einer Zeit stammt, in der man noch nicht imstande war, Orangenöl auf seine Reinheit zu prüfen. Ebensowenig dürfte Citronellal ein Bestandteil des unverfälschten Öls sein, das H. Flatau und J. Labbé21) in dem Öl gefunden haben wollen, aber ohne analytische Belege für ihre Ansicht beizubringen.
Von Alkoholen fand Stephan in dem vom Aldehyd befreiten Öl: d-Linalool (Oxidation zu Citral, Umlagerung durch Ameisensäure zu 1-Terpineol vom Smp. 35 bis 36°C), n-Monylalkohol (Monylaldehyd; Nonylsäure, Smp. 15°C) und d-Terpineol (Smp. 38 bis 40°C; Terpineolnitrolpiperidin, Smp. 154 bis 155°C; Terpinylphenylurethan, Smp. 111 bis 112°C).
Das Vorkommen von Linalool (Sdp. 199 bis 200°C; Oxidation zu Citral) war schon vorher von E. J. Parry22) bewiesen worden. Das früher von Wright23) gefundene, von 212 bis 218°C siedende Myristicol (C10H16O) dürfte in der Hauptsache aus Terpineol bestanden haben.
Ein Teil der Alkohole ist im Öl verestert enthalten, und zwar als Ester der n-Caprylsäure (Smp. +15°C; Sdp. 236 bis 237°C; Analyse des Silbersalzes).
Die deutliche Fluoreszenz, die besonders das von den Terpenen befreite Öl zeigt, ist von Parry24) auf Anthranilsäuremethylester zurückgeführt worden. Schimmel & Co.25) ist es geglückt, die Gegenwart dieses Esters nachzuweisen.
Die Natur des nicht flüchtigen Rückstands des Orangenöls ist noch nicht genügend aufgeklärt. Er ist ziemlich schwer löslich in Alkohol. Kocht man ihn nach Stephan mit Alkohol aus, um ihn von fremden Bestandteilen zu befreien, so schmilzt er bei 67 bis 68°C und zeigt eine V.Z. von 65. Aus der Verseifungslauge konnte eine feste, gesättigte Säure vom Smp. 77 bis 78°C erhalten werden, deren Bariumsalz bei der Analyse Werte gab, die annähernd auf Cerotinsäure, C26H52O2, stimmten. Ein aus der Verseifungslauge mit Ether ausgezogenes Öl wurde fest und zeigte nach dem Umkristallisieren den Smp. 138°C. Die Elementaranalyse dieses Körpers stimmte leidlich auf C28H48O2; er zeigte, in Chloroform gelöst, die Liebermannsche Cholesterinreaktion26).
St. G. Willimott und F. Wokes27) untersuchten Orangen- und Zitronenöle, die in Kalifornien durch Pressen der Schalen frischer, reifer Früchte gewonnen worden waren, und Pompelmusöl, aus der getrockneten Schale durch Extraktion mit Aceton und Ether erhalten, auf ihren Gehalt an Vitamin A. Während Orangenöl einen sehr hohen Vitamin-A-Gehalt hatte, enthielt das Pompelmusöl davon sehr wenig. Beim Zitronenöl gelangte man noch nicht zu sicheren Ergebnissen.
J. A. Hall und C.P.Wilson28) suchten die Natur der Bestandteile zu ermitteln, die dem frischen Orangensaft das charakteristische Aroma verleihen. Sie gewannen nach einem in ihrer Abhandlung genau beschriebenen Verrfahren aus 39 085L Saft 182g Öl = 0.00044% von den Konstanten: d20° 0.8866, αD20° +25.76°, nD20° 1.4691, E.Z. 8.4, Estergehalt (als C11H18O2) 2.71%. Es enthielt folgende Bestandteile: Einen olefinischen Alkohol C10H18O, Amyl- oder Isoamylalkohol (Oxidation zu Valeriansäure), Phenylethylalkohol (p-Nitrobenzylphenylacetat, Smp. 64 bis 65°C), Ester der Ameisen- und Caprylsäure (Silbersalz), Ester der Essigsäure (p-Nitrobenzylester, Smp. 77 bis 78°C). Geraniol und Terpineol waren augenscheinlich zugegen, konnten aber nicht exakt identifiziert werden.
In dem Destillationswasser, aus dem das ätherische Öl durch Ausziehen mit Ether entfernt worden war, ließ sich Aceton (Nitroprussid- und Iodoformreaktion), Acetaldehyd (Nachweis nach Power: mit Dimethylamin und Nitroprussidnatrium tiefblaue Farbe), Ethylalkohol (Sdp. 78°C; Jodoformreaktion) und Ameisensäure (Reduktion von kalter Kaliumpermanganatlösung, von Merkurichlorid, Orangefarbe mit Eisenchlorid) nachweisen.
Aktuelle Untersuchungen
Auch aktuelle Untersuchungen bestätigen den hohen Limonenanteil im ätherischen Öl der Orange. Die Forscherinnen um Guiseppe Ruberto untersuchten dazu sechs verschiedene ätherische Öle von verschiedenen Kultivaren und ermittelten einen Limonenanteil von mindestens 91%. Weitere Untersuchungen zeigen jedoch auch, dass ein durch Wasserdampfdestillation gewonnenes Öl nur 77.5% Limonen enthält, dafür jedoch weitere Terpene wie zum Beispiel α-Farnisen mit über 3.5%.
Entgegen früherer Meinungen zeigen heutige Untersuchung, dass α-Pinen Bestandteil von unverfälschten Orangenöl ist. Dieses lässt auch von die Biosynthese der Pinene vermuten, bei denen Limonen zentrales Intermediat ist. Ebenso konnte Citronellal und in Spuren auch Citral (Geranial und Neral) gefunden werden.
Ruberto et al.29) | Singh et al.30) | Tao et al.31) 32) | |
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Limonen | 91.15-95.29% | 90.66% | 77.5% |
Myrcene | 1.74-1.98% | 1.71% | 6.27% |
α-Pinen | 0.40-0.53% | 0.36% | 1.49% |
Linalool | 0.41-2.65% | – | 0.22% |
Linalylacetat | – | 2.8% | 0.28% |
Sabinen | 0.13-0.83% | 0.37% | 1.29% |
Citronellal | 0.02-0.06% | – | – |
Decanal | 0.11-0.26% | 0.02% | 0.11% |
α-Farnesen | – | – | 3.64% |
γ-Terpinen | 0.02-0.18% | – | 3.34% |
Prüfung
Die physikalischen Konstanten des Orangenöls schwanken nur innerhalb sehr enger Grenzen. Durch sein niedriges spezifisches Gewicht und sein außerordentlich starkes Drehungsvermögen sind die meisten Zusätze leicht und sicher zu entdecken, da es kaum ein Fälschungsmittel gibt, durch das nicht wenigstens eine dieser beiden Eigenschaften verändert würde.
Am schwierigsten ist der Zusatz von Orangenölterpenen zu erkennen, die sogar mehrfach von Messina aus als reines Orangenöl ausgeführt worden sind33).
Literatur
Dieser Text basiert auf Eduard Gildemeisters (1860-1938) und Friedrich Hoffmanns Buch „Die ätherischen Öle“ 3. Auflage, 1928, Verlag der Schimmel & Co. Aktiengesellschaft. Das Buch ist in 3 Bänden erschienen.
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