Ingwer

Ingwer (Zingiber officinale) und dessen Wurzelstock ist eine in der Küche und Naturheilkunde beliebte Pflanze. Sie stammt aus der Familie der Ingwergewächse (Zingiberaceae), in der auch Kardamon und Kurkuma beheimatet sind.1) Zingiber officinale Roscoe ist ursprünglich im südlichen Asien einheimisch und wird wegen seines gewürzigen Rhizoms dort und auf den Inseln des südasiatischen Archipels, ferner in Japan, Westindien und in Afrika kultiviert. Er zählt zu den ältesten kultivierten Pflanzen.2)

Ingwer wird hauptsächlich in Indien, China, Nigeria, Nepal und Indonesien produziert.3) In Indien kultiviert man den Ingwer in allen wärmeren und feuchteren Gegenden bis zu einer Höhe von 1200 bis 1500 m im Himalayagebirge. Die beste Sorte wird an der Malabarküste gewonnen.

Ingwer stammt wahrscheinlich aus Südostasien und wurde dort in Indien und China schon im Altertum eingesetzt. In chinesischen Arzneibüchern, in der Susrutas Ayurvedas, sowie in der Sanskritliteratur und später im Talmud ist Ingwer mehrfach erwähnt worden. Später im 1. Jahrhundert fand es seinen Weg nach Europa.4) Die Griechen und Römer 5) erhielten ihn auf dem Handelsweg durch das Rote Meer und nahmen deshalb die arabische Halbinsel als das Herkunftsland der Pflanze an. Im 3. Jahrhundert zählte man indessen den Ingwer schon zu den durch das Rote Meer über Alexandrien kommenden indischen Produkten.6) Bei den Römern wurde der Ingwer bald ein beliebtes Gewürz 7)

ingwerwurzel.jpgIngwerwurzel

In Deutschland 8) und Frankreich 9) scheint er seit dem 9. Jahrhundert und in England seit dem 10. Jahrhundert verwendet zu werden.10)

Marco Polo, Pegolotti, Barbosa und Niccolo Conti haben auf ihren Reisen in den Küstenländern und Inseln des südwestlichen Asiens größere Klarheit über die Herkunft des Ingwers gewonnen.11) Schon im 13. Jahrhundert kam der Ingwer entweder frisch (zenzeri verdi), in Zucker eingemacht (giengiaro confetto) oder getrocknet in den Handel, und Alexandrien galt lange als der bevorzugte Markt für den Einkauf dieser Delikatesse.12)

Unter den zollpflichtigen Handelsartikeln findet sich der Ingwer im Mittelalter oftmals erwähnt, so im Jahre 1173 in Acre im heutigen Israel,13) im Jahre 1221 in Barcelona14), 1228 in Marseille und 1296 in Paris.15) Auch in einem sehr alten, allerdings apokryphen deutschen Arzneibuch aus dem 12. Jahrhundert befindet sich in verschiedenen Vorschriften schon Ingwer.16) Die erste Erwähnung des destillierten Ingweröls findet sich in einer Spezereitaxe der Stadt Kopenhagen vom Jahr 1672.

An die Fruchtbarkeit des Bodens stellt der Ingwer ziemlich hohe Anforderungen. Dieser darf nicht zu fest und nicht sumpfig sein. Sandiger Lehmboden, der auch kalkhaltig ist, ist für die Ingwerkultur am günstigsten. Die Anzucht geschieht ausschließlich aus Stücken von Wurzelstöcken, die an trocknen Orten aufbewahrt und kurz vor der Aussaat in 3 bis 5 cm lange Stücke, von denen jedes mindestens ein Auge enthalten muss, zerschnitten werden. Die Anlage der Felder ist ähnlich wie bei einem Kartoffelfeld, und zwar besitzen die Kämme zweckmäßig eine Breite von 30 cm, die Furchen eine solche von 70 cm. Auf den Kämmen werden die Knollenstücke in Abständen von 25 bis 30 cm in 7 bis 10 cm tiefe Löcher ausgelegt, die dann gut mit Erde aufgefüllt werden, weil in Höhlungen liegende Knollen leicht faulen können. Die Ernte beginnt, wenn die oberirdischen Teile verwelken, was im allgemeinen nach 9 bis 11 Monaten der Fall ist. Die Knollen werden dann aus dem Boden herausgenommen. Die weitere Verarbeitung beginnt in allen Fällen damit, dass von den sorgfältig gewaschenen Knollen alle Wurzeln abgeschnitten werden. Dann ist die Behandlung eine verschiedene, je nachdem man getrockneten oder präservierten Ingwer bereiten will. Bei dem getrockneten kann man ferner wieder zwischen geschältem oder weißem und ungeschältem oder schwarzem Ingwer unterscheiden. Die Ingwerpflanzen saugen den Boden sehr stark aus, so daß eine wiederholte Kultur auf demselben Boden nur bei starker Düngung möglich ist.

Man trocknet die gereinigten Rhizome an der Sonne, bleicht sie häufig mit schwefliger Säure und teilt sie für den Export in verschiedene Sorten, wie braunen rohen Ingwer, gebleichten rohen Ingwer und weißen Ingwer ein. Bei der Herstellung der besten Sorte weißen Ingwers wird das gebleichte und getrocknete Rhizom noch sorgfältig abgeschabt. Die Schabsei und die übrigen Abfälle bei der Verarbeitung bilden den waste ginger, der ein wertvolles Ausgangsmaterial für die Gewinnung von Ingweröl darstellen soll.

Bei Bereitung des geschälten Ingwers darf nur eine möglichst dünne Haut entfernt werden, da die aromatischen Bestandteile dicht unter der Epidermis abgelagert sind. Nach dem Schälen kommen die Knollen sofort wieder in reines Wasser, worin man sie über Nacht stehen lässt, um sie dann zu trocknen. Da beim geschälten Ingwer auf eine helle, möglichst weiße Farbe Gewicht gelegt wird, hat man versucht, die Farbe der Ingwerknollen durch chemische Mittel (Chlorkalk, Gips) zu verbessern, wovon aber dringend abzuraten ist. Der ungeschälte Ingwer wird nach dem sorgfältigen Reinigen sofort getrocknet.

Die flüchtigen Bestandteile des Ingwerrhizoms besteht vor allem aus Mono- und Sesquiterpenen. Insbesondere Zingiberen, Camphen, β-Phellandren, Bisabolen, α-Farnesen und β-Sesquiphellandren sind in höheren Konzentrationen zu finden.17)18) Dabei verändert sich das Inhaltsstoffprofil während der Lagerung und Trocknung. Bei einer Untersuchung die verschiedene Trocknungsmethoden vergleicht, konnte gezeigt werden, dass der Anteil von Zingiberen von 28% im frischen Ingwer auf 45% im vakuumgetrockneten gestiegen ist. Es konnte ebenso gezeigt werden, dass einige flüchtige Inhaltsstoffe nach der Trocknung nicht mehr vorhanden waren als auch einige sich neu gebildet haben (wie zum Beispiel Copaene). Die Hauptinhaltsstoffe des frischen, luftgetrockneten (bei 50°C) und vakuumgetrockneten Ingwers19) finden sich in folgenden Tabelle:

frisch luftgetrocknet vakuumgetrocknet
Zingiberen 28.1 % 43.2 % 45.0 %
Citral 15.7 % 12.8 % 7.7 %
β-Sesquiphellandren 7.6 % 10.6 % 11.3 %
β-Phellandren 7.5 % 1.1 % 0.7 %
α-Farnesen 6.9 % 10.0 % 11.5 %
Eucalyptol 5.7 % 1.3 % Spuren
Neral 5.6 % 2.9 % 3.7 %
α-Curcumen 2.8 % 4.0 % 5.1 %

Für Ingwer typische Inhaltsstoffe

Zusätzlich zu den flüchtigen Bestandteilen, konnten in Ingwer durch Extraktion weitere charakteristische Inhaltsstoffe isoliert werden. Dazu zählen die Gingerole, Shogaole und Paradole.20) Gingerole verleihen dem Ingwer seine Schärfe. Shogaole werden aus Gingerole durch Dehydratisierung gewonnen. Diese Prozess findet vor allem bei höheren Temperaturen statt21) und führt zu einem erhöhten Shogaolanteil in getrockneten Ingwer.

S. D. Jolad, R. C. Lantz, G. J. Chen, R. B. Bates, B. N. Timmermann Phytochemistry 2005, 66, 1614-1635. link

M. C. Mesomo, M. L.Corazza, P. M. Ndiaye, O. R. Dalla Santa, L. Cardozo, A. de Paula Scheer J. of Supercritical Fluids 2013, 80, 44–49. link

S. V. Nampoothiri, V. V. Venugopalan, B. Joy, M. M. Sreekumar, A. Nirmala Menon Asian Pacific Journal of Tropical Biomedicine 2012, 3, 1347-1350. link

I. Sasidharan , V. V. Venugopal & A. Nirmala Menon Natural Product Research 2012, 26, 1759-1764. link

Dieser Text basiert auf Eduard Gildemeisters (1860-1938) und Friedrich Hoffmanns Buch „Die ätherischen Öle“ 3. Auflage, 1928, Verlag der Schimmel & Co. Aktiengesellschaft. Das Buch ist in 3 Bänden erschienen.

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1)
White, B. Am. Fam. Physician 2007, 75, 1689-91
2)
V. S. Govindarajan; D. W. Connell (1983) Ginger — chemistry, technology, and quality evaluation: Part 1, C R C Critical Reviews in Food Science and Nutrition, 17:1, 1-96, DOI: 10.1080/10408398209527343
3)
Daten aus dem Jahr 2017 der FAO http://www.fao.org/faostat/en
4)
Encyclopædia Britannica - Artikel in der Onlineversion: https://www.britannica.com/plant/ginger
5)
Pedanii Dioscorides De Materia medica libri quinque Edition Kühn Sprengel. 1829. Vol. 2, Seite 300.
6)
William Vincent Commerce and Navigation of the Ancients in the Indian Ocean 1807 2, 695; E. H. F. Meyer, Geschichte der Botanik Band 2, S. 167.
7)
Apicius Caelius De re coquinaria libri decem Edition Schuch.
8)
Cless Landes- und Kulturgeschichte von Württemberg 1807 Band 2, S. 260. – In der Vorschrift eines in der Würzburger Bibliothek befindlichen Kodex aus dem 8. Jahrhundert ist auch Ingwer angegeben. Der Titel des als Manuskript vorhandenen Kodex ist: J. G. von Eckhardt Commentarii de rebus Franciae orientalis et episcopatus Wirceburgensis, Oiossae Theotiscae.
9)
W. Heydt Levantehandel im Mittelalter 1879 Band 1, S. 103, Note 3.
10)
F. A. Flückiger Pharmacographia, 635; Rogers History of Agriculture and Proces in England 1866, 1, 629.
11)
Le livre de Marco Polo veröffentlicht von Pauthier 1865, 2, 381, 488; Pegolotti, in G. F. Pagnini Della Decima e delle altre Gravezze 1766, 360; G. B. Ramusio Delle navigationi et viaggi Venetiae 1554, Seite 311 und 323; N. Conti, India in the 15. Century Edition Major, London 1857; Cf. F. Kunstmann Kenntnis Indiens im 15. Jahrhundert 1863, München.
12)
Pegolotti, in G. F. Pagnini Della Decima e delle altre Gravezze 1766, S. 298 und 317
13)
Recueil des Histonens des Croisades 1843 Lois, Seite 176.
14)
A. de Capmany Memorias históricas sobre la marina comercio y artes de la antigua ciudad de Barcelona Madrid 1779, 2, 3.
15)
Revue archologique. Paris 1852. Tom. 9, p. 213.
16)
F. Pfeiffer Zwei deutsche Arzneibücher aus dem 12. und 13. Jahrhundert in Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften(1863), 124, 138, 159.
17)
M. Afzal, D. Al-Hadidi, M. Menon, J. Pesek, M. S. I. Dhami Ginger: an ethnomedical, chemical and pharmacological review in „Drug Metabolism and Drug Interactions“ 2001, 2, 159
18)
C.-C. Chen, C.-T. Ho J. Agric. Food Chem. 1988, 36, 322.
19)
S. H. Ding, K. J. An, C. P. Zhao, Y. Li, Y. H. Guo, Z. F. Wang Food and Bioproducts Processing 2012, 90, 515–524.
20)
S. D. Jolad, R. C. Lantz, A. M. Solyom, G. J. Chen, R. B. Bates, B. N. Timmermann Phytochemistry 2004, 65, 1937–1954. link
21)
Bhattarai, S.; Colin C. D. „The stability of gingerol and shogaol in aqueous solutions.“ Journal of pharmaceutical sciences 2001, 90, 1658-1664.