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Salicin

Salicin ist das Glycosid des Salicylalkohols. Es kann aus vorallem Weidengewächsen und deren Rinde isoliert werden. Salicin erreichte seine Berühmtheit als natürlicher Vorläufer des Medikamentes Acetylsalicylsäure, welches als Aspirin anfang des 20ten Jahrhunderts auf den Markt kam.

Zuvor war die Wirkung von Weidenrindenextrakten bekannt. Im antiken Griechenland wurde dies als Schmerzmittel und gegen Fieber eingesetzt. Ende des 19ten Jahrunderts erkannte man die Wirkung der Salicylsäure, des Hauptmetaboliten des Salicins im Körper, und synthetisierte diesen im Großmaßstab.

Salicin

Doch erst die Variierung der Leitstruktur brachte den Durchbruch auf dem Arzneimittelmarkt. Durch die Acetylierung der Salicylsäure konnte Anfang des 20ten Jahrhunderts die Wirkung verbessert und die Nebenwirkungen vermindert werden. Das Medikament kam als Aspirin auf den Markt und ist heute – trotz der bekannten Nebenwirkungen – beliebtes Schmerzmittel.

Eigenschaften

Das Aglycon des Salicin, der Salicylakohol, ist ein monosubstituiertes Phenol. Er ist wie Salicin aufgrund seiner Hydrophilie gut wasserlöslich. Salicylalkohol trägt keine stereochemische Information.

Biosynthese

Biosynthese von Salicin und Salicylsäure

Die Biosynthese von Salicin in der Pflanze Salix purpurea L. wurde schon 1967 von Zenk et al. aufgeklärt. Die Biosynthese startet mit der Aminosäure Phenylalanin, das aus dem Shikimisäureweg stammt.

Es folgt eine Desaminierung zur Zimtsäure. Die Zimtsäure wird anschließend zu o-Cumarsäure hydroxyliert. Aus o-Cumarsäure werden auch die Cumarine gewonnen. Bei der Biosynthese von Salicin findet nun eine β-Oxidation zu Salicyl-CoA statt. Salicyl-CoA stellt die aktivierte Form der Salicylsäure dar und kann folgerichtig zu dieser hydrolysiert werden. Die Salicylsäure wird im folgenden glycosidiert.

Salicyl-CoA wird nun zum Salicylaldehyd reduziert. Nach Glycosidierung der ortho-Hydroxygruppe entsteht Helicin. Dieses kann schließlich durch Reduktion zu Salicin umgewandelt werden.1)

Salix L.

Zum Hauptartikel: Weiden (Salix L.)

Die Weiden aus der Familie der Weidengewächse umfassen insgesamt 450 bekannte Arten. Diese erstrecken sich über weite Bereiche der nördlichen Erde, sind aber auch in gemäßigten Zonen des Südens beheimatet. Innerhalb der Gattung gibt es große Unterschiede in ihrer Größe (3cm bis 30m), in ihrem Wachstumsverhalten und ihrer Blattform. Neben der Nutzung für Weidenkörbe und als Holzrohstoff, kann der Teeaufguß der Weidenrinde als fiebersenkendes und schmerzlinderndes Medikament eingesetzt werden. Jedoch sind dafür nur wenige Weidenarten geeignet, die einen hohen Anteil an Salicin und dessen Derivate enthält (1.5% – 11%).

Wirkung im Körper

Schematische Darstellung der Hauptwirkungen

Um die Wirkung von Salicin besser zu verstehen, wird im folgenden die Wirkung von Weidenrindenextrakt, Salicylsäure und Acetylsalicylsäure verglichen.

Salicylsäure

Salicylsäure ist der Hauptmetabolit des Salicins. Nach Abspaltung der Glucose im Darm wird das Aglycon Salicylalkohol in der Leber zu Salicylsäure oxidiert. Salicylsäure ist ein Wirkstoff, der im Körper die Prostaglandinesynthese unterdrückt und wirkt, da die Prostaglandine Entzündungen stimulieren, entzündungshemmend.

Weidenrindenextrakt

Metabolismus der Salicinderivate der Weidenrinde zu Salicylsäure im menschlichen Körper

Das selbst unwirksame Salicin und seine Derivate metabolisiert im Körper über das Aglycon Salicylalkohol zur Salicylsäure. Salicylsäure wirkt im Menschen fiebersenkend, schmerzlindernd und antirheumatisch. Jedoch ist es fraglich, ob die Konzentration der Salicinderivate ausreicht, um eine Wirkung zu erzielen, da Salicylsäure keine therapeutisch ausreichende Blutspiegelkonzentration erreicht.

Die Arbeitsgruppe um Schmid et al. untersuchte die Aufnahme und den Metabolismus des Salicins der Weidenrinde. Dazu wurden Patient*innen ein Extrakt von Salix purpurea x daphnoides mit insgesamt 240 mg Salicin verabreicht. Die Blutproben zeigten, dass Salicylsäure neben Genistinsäure tatsächlich der Hauptmetabolit der Salicine ist. Salicin selbst ist im Blut nicht zu finden, wird jedoch zum Teil über den Urin ausgeschieden. In der Studie wird von einer Bioverfügbarkeit von 16 - 43% ausgegangen. Das bedeutet, dass lediglich 16 - 43 % des eingesetzten Salicins vom Körper metabolisiert und genutzt wird.

Vergleicht man die Wirkung von Weidenrindeextrakt mit der von Acetylsalicylsäure, entspricht die Einnahme von 240 mg Salicin innerhalb eines Extraktes 87 mg Acetylsalicylsäure.2) Tabletten mit Acetylsalicylsäure enthalten jedoch meist ca 500 mg der Substanz.

Die Wirkung der Droge kann man daher nicht nur auf ihren Salicingehalt zurückführen. Neben den Salicinderivaten spielen die in der Weidenrinde enthaltenen Flavonoide eine unterstützende Wirkung. Die Arbeitsgruppe um Chrubasik et al. verglich die Wirkung der Weidenrinde mit der von Aspirin. Sie zeigen auf, dass viele Wirkungen zwar ähnlich bzw. gleich sind, es aber dennoch Unterschiede gibt. Es bleibt bis heute eine offene Frage wie die genaue Wirkung der Weidenrinde ist, die nicht alleine auf das Salicin und seine Derivate zurückzuführen ist.3)

Acetylsalicylsäure

Neben der Wirkung des Metaboliten Salicylsäure wirkt Acetylsalicylsäure (ASS) hauptsächlich über die Deaktivierung durch Acetylierung der Cyclooxygenase (COX) 1 und 2. Diese sind wichtig für die Prostaglandinesynthese. Prostaglandine wiederrum stimulieren Entzündungen. Dadurch kann die entzündungshemmende, schmerzstillende, fiebersenkende und gerinnungshemmende Wirkung von ASS erklärt werden. Dadurch können aber auch Magenblutungen provoziert werden. Darüber hinaus belastet die saure Wirkung den Magen weiter.

1)
Zenk, M. H. Pathways of salicyl alcohol and salicin formation in Salix purpurea L. Phytochemistry, 1967, 6, 2, 245-252. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0031942200827703
2)
Schmid, B.; Kötter, I.; Heide, L. Pharmacokinetics of salicin after oral administration of a standardised willow bark extract. European journal of clinical pharmacology, 2001, 57, 5, 387-391. http://link.springer.com/article/10.1007/s002280100325
3)
Vlachojannis, J.; Magora, F.; Chrubasik, S. Willow species and aspirin: different mechanism of actions. Phytotherapy Research, 2011, 25, 7, 1102-1104. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ptr.3386/full